Die Botschaft beinhaltet gleich drei zentrale Begriffe: Toleranz, Integration und Inklusion. Klingt
gut, aber ist das in einer Zeit, die vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, Flüchtlingsströmen
aus weiten Teilen der Welt, einer zunehmenden Radikalisierung am politischen Rand und einer
sprunghaft wachsenden Intoleranz gegenüber allem Andersartigen vom Flüchtling bis zum
Obdachlosen, Behinderten oder verarmten Menschen überschattet wird, nicht eher ein frommer
Wunsch?

Selbst wenn es so wäre, kann es vonseiten jener, die nach wie vor an eine offene Gesellschaft und
eine demokratische Ordnung glauben, nur eine Reaktion geben: Jetzt erst recht.
Genau diese Botschaft geht von einer Ausstellung aus, die noch bis zum 20. August
im Nordfriesland Museum und im Schloss vor Husum zu sehen ist und auf eine Kooperation des
Museumsverbundes Nordfriesland mit dem Diakonischen Werk Husum zurückgeht. Dass sich dafür
nicht weniger als 50 zum Teil sehr namhafte Künstlerinnen und Künstler aus dem gesamten
Bundesgebiet zusammengetan haben, ist an sich schon ein Ereignis, aber in diesem Fall verschmilzt
zu einer Einheit, was in der öffentlichen Wahrnehmung gern schon mal getrennt wahrgenommen
wird, obgleich es von jeher zwei Seiten ein und derselben Medaille waren: Kunst und Gesellschaft.
Kunst trotz(t) Ausgrenzung, das ist ein Leitmotiv, das auch in seiner bewussten Doppeldeutigkeit
eindeutig Stellung bezieht und in Zeiten, da ernsthaft diskutiert wird, einen der ersten
antirassistischen Romane der Nachkriegszeit, Wolfgang Koeppens „Tauben im Gras“ von 1951, aus
dem Schulunterricht zu verbannen, weil er das „N“ Wort beinhaltet.
Solchen und anderen Turbulenzen der Intoleranz – seien sie offen oder verdeckt – will die
Ausstellung energisch entgegentreten und ein unmissverständliches Zeichen in schwierigen Zeiten
setzen.

Es gibt wohl kaum einen Menschen, der nicht schon einmal Ausgrenzung erfahren, empfunden
oder vielleicht sogar betrieben hat – bewusst oder unbewusst, steckte Museumsleiterin Tanja
Brümmer bei der Eröffnung der Ausstellung den Rahmen ab. Tatsächlich öffnen die Exponate an
beiden Museumsstandorten nicht nur den Blick aufs große Ganze, sondern schaffen mit den
Mitteln der Kunst zugleich einen persönlichen Zugang, eröffnen, wie Brümmer es nannte, „eine
neue Perspektive auf unsere Gesellschaft“.

Britta Lenz fokussierte in ihrem Rede Beitrag den Unterschied, den ein einziger, unscheinbarer
Buchstabe ausmachen kann. „Trotz“, so die Schulrätin und Vorsitzende der Nissenstiftung, stehe für
„ungeachtet“; „trotzt“ hingegen für ein „Widerstehen“. Wer ausgrenze, errichte Grenzen. Die
Gründe dafür seien vielfältig. Wahre Inklusion beginne mit der Wahrnehmung von Unterschieden.
Dem trage auch das vielfältige Rahmenprogramm Rechnung, für das sich Diakonisches Werk und
Museumsverbund schon im Vorfeld mit einer Vielzahl von örtlichen Akteuren, zum Beispiel dem
Filmklub oder der Kirchengemeinde Husum, zusammengetan hätten. Eine Führung auf den Spuren
der Armut durch Husum hat darin ebenso ihren Platz wie eine Lesung des Autors Markus
Ostermair aus seinem Roman „Der Sandler“, der im Obdachlosen Milieu spielt und für die daher
auch die Bahnhofsmission als Ort gewählt wurde. All diese Spotlights sollen dazu beitragen , das
große Ganze in seinen Facetten wahrzunehmen.

„Ausgrenzung ist in allen Teilen unserer Gesellschaft wirksam“, stellte Landespastor Heiko Naß zur
Eröffnung im Nordfriesland Museum fest. Die Ausstellung leiste daher einen wichtigen Beitrag, zu
dieser Frage eine Haltung zu entwickeln und dieser Haltung Handeln folgen zu lassen.
Obgleich es in Deutschland ein breites Bekenntnis für eine inklusive Gesellschaft gebe, wachse

zugleich die Zahl der Menschen, die ausgrenzten und „gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit“ zur Schau stellten. Dies sei auf allen Ebenen präsent, so Naß. Dass sich
gleichzeitig immer mehr junge Menschen gegen Ausgrenzung, Intoleranz und Rassismus
positionierten, mache ihm Mut, erklärte der Landespastor und sieht im entschiedenen Auftreten
gegen derlei Tendenzen nicht zuletzt eine zentral e Aufgabe für christliche Institutionen.

Andreas Pitz zitierte in seinem Beitrag einen streitbaren Künstler, der seiner Zunft schon in den
1990er Jahren die Richtung wies und unter dem Motto „Flagge zeigen“ zu einem gemeinsamen
Bekenntnis gegen Gewalt, Fremdenhass und Verdrängung aufrief. Dabei wies Klaus Staeck, der
auch in der neuen Ausstellung hinreichend vertreten ist, der Kunst eine zentrale Rolle zu: „All jene,
die gehofft hatten, die Künstler würden sich mehrheitlich auf die Dauer mit der Rolle des
Dekorateurs zufriedengeben, müssen sich auf ein neues Abenteuer gefasst machen“.

Wie wahr. Und wie bitter
nötig! Das zeigt auch die Ausstellung i m Nordfriesland Museum und
Schloss vor Husum, zu deren Eröffnung vier der beteiligten Künstlerinnen und Künstler , Sybille
Loew , Harald Birck, Klaus G. Kohn und Herr Penschuck, nach Husum angereist waren und den
zahlreichen Besuchern fachkundig Rede und Antwort standen. So verwahrte sich Herr Penschuck
im Angesicht seiner Installation „Schneller Koffer“ gegen einen neuen Geschichtsrevisionismus, der
„Das Tagebuch der Anne Frank zu einer Meinung unter vielen herabwürdigt“. Sein „Schneller
Koffer“ zeigt Fundstücke, die Herr Penschuck im Konzentrations und Vernichtungslager Bergen
Belsen zusammengetragen hat – damals noch abseits der vorgegebenen Wege. Der Koffer stamme
aus seiner eigenen Familie, berichtete Herr Penschuck, der in diesem Zusammenhang an Zeiten
erinnerte, in denen in den meisten Haushalten ein gepackter Koffer für alle Fälle bereitstand .
Gedenkstätten wie Bergen Belsen seien lange Zeit Trauerorte gewesen, in denen die Überlebenden
der Opfer des Nationalsozialismus gedacht hätten. „Heute sind sie hingegen wieder
Aufklärungsorte.“ Und so gehen seine Fundstücke nach der Ausstellung auch dorthin zurück. Eine
von vielen Installationen, Bildtafeln und Objekten, die der Ausgrenzung „trotzen“ und einen Besuch
an beiden Museumsorten unbedingt nahelegen.

Text: Rüdiger Otto von Brocken

Fotos: Daniel Penschuk

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