Sonja Wenzel
Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, dem Iran, aus dem Kosovo und aus Eritrea und möchten in ihrer neuen Heimat auch am Arbeitsmarkt ankommen: Insgesamt acht Migranten und Migrantinnen sind hochmotiviert, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie nehmen heute an einem Bewerbungsgespräch teil. Für viele von ihnen ist es das erste Bewerbungsgespräch überhaupt. Doch weil es erstmalig als Videokonferenz gestaltet ist, kommen zusätzliche Aufregung und ein „mulmiges Gefühl“ noch hinzu. Das Jobcenter des Kreises Nordfriesland hat das Diakonische Werk Husum mit der Maßnahmendurchführung der Maßnahme „MIQUA“ (Migranten qualifizieren) beauftragt. Innerhalb dieser Maßnahme wurde nun die Jobbörse durchgeführt.
Seit August sind diese Menschen in dem auf fünf Monate angelegten Projekt mit den Gegebenheiten in ihrer neuen Heimat behutsam bekannt gemacht worden. „Es sind jeweils 20 Wochenstunden Arbeit vorgesehen“, erläutert die pädagogische Fachkraft Tina Brandt ihr Projekt, in dem an jedem Tag ein anderes Modul durchgenommen wird: Es geht um kulturelle Gepflogenheiten, um Familie und Sprache sowie um das Thema Beruf, Schule und Arbeitskultur. Darüber hinaus wurden in kleinen Exkursionen verschiedene Beratungseinrichtungen besucht und kennengelernt. „Die letzten Wochen haben wir intensiv genutzt, um uns auf den heutigen Tag vorzubereiten. Mitunter haben Begriffe wie Zielerreichung, Qualitätsbewusstsein oder Pünktlichkeit nicht den Stellenwert wie in unserem Land“, führt Tina Brandt aus, aber: „Die Teilnehmenden sind jetzt für das Leben und den Arbeitsmarkt besser gerüstet.“
„Mitspieler“ auf der anderen Seite der Videokonferenz ist zunächst Dominik Müller, Mitarbeiter der Gesellschaft für Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik, Institut der Unternehmensverbände Nord e.V. (GEFAS), der verschiedene Projekte in Schleswig-Holstein unter den Fittichen hat. Er moderiert die Veranstaltung kurz an und übergibt dann an Oliver Kühl, den Inhaber des privaten Arbeitsvermittlungs-Büros „Vitamin K Arbeitsvermittlung“ in Husum, das Partner dieses Projekts ist.
Die Projektteilnehmenden schlagen sich wacker, werden in den maximal zehn Minuten Gesprächszeit „warm“ und sprechen sich frei – und sollte einmal etwas haken, kann die Sprach- und Kulturmittlerin Imene Hasseine aus Algerien sofort unterstützen. Die zweifache Mutter Fresh aus Afghanistan ist 30 Jahre alt und seit fünf Jahren in Deutschland: „Ich bin lernbereit und mag Teamarbeit“, erklärt sie und würde sich am liebsten in einer Küche oder einem Hotel betätigen. Erst einmal „keine großen Hoffnungen“ gibt es für die junge Frau, aber: „Wir schauen, was im Frühjahr machbar ist. Möglicherweise ist dann ein Praktikum möglich“, so Kühl. Bis dahin will Fresh weiter an ihrem Deutsch feilen. Haben aus Eritrea ist 29 Jahre alt und möchte einen Metallberuf ergreifen: „Ich bin pünktlich, gründlich und geduldig“, betont er. In seiner Heimat hat er viele Jahre Dienst als Soldat getan. „In der Metallbranche gibt es immer viele Möglichkeiten“, unterstreicht Kühl. Haben solle bald den Führerschein machen und noch ein bisschen an seinem Deutsch arbeiten, rät er. „Stahl ist stark, du bist es auch – du bist auf einem guten Weg“, ermutigt er den Eritreer. „Alle haben Strukturen gelernt, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit und sind bestrebt, immer besser in Deutsch zu werden – sowohl mündlich als auch schriftlich. Das ist auch eine Form des Ankommens“, so Tina Brandt. Sie freut sich, „dass wir in diesen schwierigen Zeiten Bewerbungsgespräche abbilden können“. Die Bewerbungsgespräche werden übrigens per Video aufgezeichnet. Das kommt allen zugute. Dazu Tina Brandt: „Wir können uns hinterher anschauen, wie es gelaufen ist und sehen, was schon richtig gut war oder was noch verbessert werden kann.“
Grundsätzlich haben die Neubürger und -bürgerinnen eine große Auswahl an Möglichkeiten, um am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Aber: „Die Sprache ist der Schlüssel zu allen Aktivitäten“, betont Arbeitsvermittler Oliver Kühl. Er begrüßt, dass alle Projektteilnehmenden motiviert sind, an ihrer Sprachkompetenz weiterzufeilen. „Es ist unerlässlich, so viel Energie und Nachhaltigkeit wie möglich in die Lösung des Problems ‚Sprache‘ fließen zu lassen.“ Und einen geheimen Wunsch hat Kühl auch: „Ich wünsche mir mehr Initiative von privaten Arbeitgebern.“