Sonja Wenzel

„Ich freue mich, dass Sie die Bahnhofsmission besuchen und dabei kennenlernen möchten, was in der dort angegliederten Beratungsstelle für Wohnungslose passiert“, sagte Adelheit Marcinczyk anlässlich des Besuchs des EU-Abgeordneten Rasmus Andresen. Der in Flensburg aufgewachsene Grünen-Politiker gehört seit dem Jahre 2019 dem EU-Parlament an und war vorher Mitglied sowie Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Landtags. An der Zusammenkunft nahmen außerdem sein Assistent Matthias Ullrich teil, zuständig für die Regionalarbeit in Flensburg, sowie Malte Hansen, Leiter des städtischen Ordnungsamts und Valeska Greve, Leiterin vom Sozialzentrum Husum und Umland mit Jobcenter. Andresen befasst sich im EU-Parlament mit Finanzthemen – in Finanzausschüssen werden „harte Entscheidungen“ über die Verteilung finanzieller Mittel getroffen, so seine Aussage. Der 37-Jährige hatte bereits im Sommer die Tafel besucht; daher ist ihm diakonische Arbeit wohlbekannt. Mit großem Interesse ließ er sich die Räumlichkeiten der Bahnhofsmission und der darin untergebrachten Beratungsstelle für Wohnungslose des Diakonischen Werkes Husum zeigen und erklären.

In der Szene der Wohnungslosigkeit in Husum ist zwar Bewegung, jedoch ist die Entwicklung nicht gerade beruhigend: „Mir fällt auf, dass viele Frauen, die im kommunalen Obdach untergebracht sind, die dortigen Zustände nicht aushalten und lieber einige Nächte in der Bahnhofsmission bleiben“, äußerte Ute Petersen, neue Leiterin der Bahnhofsmission. „Wohnungslosigkeit wächst und wird jünger, wird vor allem tendenziell weiblich und sichtbar“, fügte Jens Frank, Abteilungsleiter der „niedrigschwelligen Hilfen“ an. Zwar hatte Andresen keine EU-Wundermittel gegen Wohnungslosigkeit im Gepäck, denn die Wohnungsmärkte sind national organisiert; doch ging es dem jungen Politiker darum auszuloten, wie sich das Problem in der Praxis vor Ort darstellt und wo möglicherweise ein Hebel angesetzt werden kann. So gibt es einen ehrgeizigen EU-Handlungsplan, der zum Ziel hat, die Wohnungslosigkeit bis zum Jahre 2030 ausgemerzt zu haben.

„Wohnungslosigkeit hat oftmals Erkrankungen, Sucht oder Verschuldung als Ursache“, umriss Adelheit Marcinczyk auf Andresens Anfrage die Gründe für das Problem. Mitunter sei es auch die Entlassung aus der Haft oder aus einer Fachklinik, die dazu führen. Mittlerweile treten häufiger Fälle auf, in denen durchaus einer geregelten Arbeit nachgegangen wird, das Einkommen dennoch nicht ausreicht, um die Miete für eine Wohnung aufzubringen. Auch die Struktur des regionalen Wohnungsmarktes interessierte Andresen. Es gebe einige wenige „große Player“, der erhebliche Rest setze sich jedoch aus Privatanbietern zusammen, sagte Malte Hansen. Zwar nehme die Wohnungslosigkeit zu, doch versuche man – obgleich es einfach zu wenig Wohnraum gebe – amtlicherseits diesem Problem energisch entgegenzutreten. Die Beratenden werden „stark frequentiert“, ergänzte Valeska Greve. Um Wohnraum für Bürgergeldbeziehende zu rekrutieren, werde „alles Menschenmögliche“ unternommen. Nicht unerheblich sei, dass Wohnraum auf den Inseln teuer sei und oftmals nicht zur Verfügung stehe.

„Wir können bei der EU durchaus etwas unternehmen, denn Wohnungslosigkeit wird zunehmend zu einem wichtigen Thema“, so Andresen. Hinzu komme, dass Deutschland den Sozialstaat an einigen Stellen „reparieren“ müsse, damit das Wohlergehen der Bürger und Bürgerinnen wieder mehr als die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen im Fokus stehe. Doch wie ist das weitere Prozedere: „Formulieren Sie Ziele und werden diese in einem EU-weiten Programm umgesetzt?“ Doch da müssen wohl noch einige dicke Bretter gebohrt werden: „Wir können Gesetze beschließen, die für ganz Europa gelten“, erklärte der Politiker. Aktionspläne, auf deren Basis Maßnahmen für die zugehörigen Nationen abzuleiten sind, werden – mit entsprechender nationaler Unterfütterung – aufgestellt. Und letztlich geht es auch um EU-Gelder: „Wir können Schwerpunkte und Ziele festlegen, wie das Geld verwendet werden soll. Die jeweilige Ausgestaltung liegt bei den einzelnen Ländern.“ Wie schwierig dieses Thema auch immer ist: Es ist präsent und für Betroffene bedrohlich; doch ist das prekäre Leben auf der Straße für Menschen, die stets ein sicheres Dach über dem Kopf haben, oftmals nicht recht vorstellbar. Dazu Adelheit Marcinczyk: „Die Wohnungslosigkeit soll in möglichst vielen Köpfen ankommen.“  

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