Sonja Wenzel

„Es ist ein Mosaik vieler Möglichkeiten, das die Kirche bietet durch unterschiedliche Erfahrungen und Einsatzorte“, sagt Pastor Matthias Tolsdorf. Dieses Angebot nehmen derzeit Ombeni Lance aus Tansania und Guido Schanzenbach aus Argentinien beim Diakonischen Werk Husum wahr. Für ein rundes Dreivierteljahr lernen die beiden jungen Männer beim Diakonischen Werk Husum deutsche Sprache und Kultur kennen und gewinnen einen Einblick in das Arbeitsleben in Deutschland. Vermittelt wurden sie über das „Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit“ mit Sitz in Breklum.

„Wir haben jede Woche zwei Mal Deutschunterricht“, erzählen Ombeni und Guido. „Grundsätzliches“ über Deutschland sowie ein Sprach-Grundkurs wurde ihnen bereits in ihren Heimatländern vermittelt: „Den großen Rest lernen wir hier“, lächeln sie – und wenn es einmal „eng“ wird mit der Verständigung, so geht es auf Englisch oder Spanisch und manchmal auch „mit Händen und Füßen“. Auf jeden Fall erfordere das Lernen der Sprache „viel Eigeninitiative und großes persönliches Engagement“, so Pastor Tolsdorf.

Eine Wahlmöglichkeit – je nach Neigung – eröffnete das Diakonische Werk Husum mit einem dreitägigen „Schnupper-Volontariat“ in der Radstation, im Sozialkaufhaus in der Neustadt und im Schiffbauprojekt „Landungsbrücken“. Guido, aus der Stadt General Ramirez in der argentinischen Provinz Entre Rios stammend, entschied sich für die Radstation: „Ich studiere in meiner Heimat Maschinenbau und bin dabei, die Pilotenlizenz zu erwerben. Mir liegt die praktische Arbeit mit Metall am meisten“, erklärt der sympathische 23-Jährige. Er freut sich über das „nette Umfeld“ in der Radstation. Als Jugendlicher hatte er sich bereits in einer Jugendgruppe seiner Kirche engagiert – da lag es nahe, später die Chance auf einen einjährigen Auslandsaufenthalt wahrzunehmen. Er hatte Glück: „Dafür musste man sich bewerben. Von 60 Bewerbenden erhielten 20 die Zusage für ein Jahr im Ausland.“

„Hier hat der Reifen eine Beule und muss geprüft werden“: Manfred Hansen und Guido besprechen die Arbeit an einem Fahrrad. Im Hintergrund: Matthias Tolsdorf.

Ombeni, der „Land, Leute und Wirtschaft“ kennenlernen wollte, begeisterte sich eher für die facettenreichen Abläufe im Sozialkaufhaus, dort besonders in der „bunten Vielfalt“ und in der Tischlerei. „Begonnen hatte ich mit der Arbeit im Garten des Christian-Jensen-Kollegs“, erzählt der 27-Jährige von seinen Erfahrungen. Zwar seien die Quarantäne und die kalte Witterung zu Jahresbeginn „ungewohnt und anstrengend“ gewesen, die körperliche Betätigung im Garten jedoch habe ihm großen Spaß gemacht und sei erfüllend gewesen. Auch die Ländlichkeit ist für den Großstädter außerordentlich angenehm: „Nicht so viele Menschen – das ist fast wie Urlaub“, scherzt er.

Schleifen, ölen, streichen: Ombeni (mit Ines Sagner und Matthias Tolsdorf) zeigt verschiedene Arbeiten, die er in der Tischlerei ausgeführt hat.

Beiden Freiwilligen bereitet es großes Vergnügen, alle anfallenden Arbeiten zu erledigen und dabei mit vielen Menschen zu kommunizieren: „Alle sind sehr nett und offen. Ich habe mich nie ausgegrenzt gefühlt“. So beschreibt Ombeni seine Erfahrungen. Er hat in Daressalam Wirtschaftswissenschaften studiert, seinen Master in Buchhaltung und Finanzwesen absolviert und anschließend in einer Bank gearbeitet. Die Arbeit im Diakonischen Werk gibt ihm viele Anregungen, um bestimmte Ideenmodelle auszuformen: Denn sein Wunsch ist es, in Tansania die beiden Bereiche „Finanzen“ und „Hilfe für Menschen“ zusammenzubringen. Guido dankt für die gute Aufnahme in der Radstation und wünscht sich für sein Heimatland eine ähnlich hohe Gewichtung der diakonischen Arbeit. „Ich habe hier ganz bewusst die Änderung meiner Persönlichkeit wahrgenommen. Wenn ich im nächsten Frühjahr nach Argentinien zurückkehre, bin ich nicht mehr der Mensch, der vor fast einem Jahr hier ankam“, fasst er zusammen. Er habe hier viel erfahren über das Miteinander verschiedener Personen unterschiedlicher Herkunft und über den Wert gegenseitiger Unterstützung. Und: „Die Gemeinschaft funktioniert auch trotz einiger Sprachbarrieren.“

Ombeni und Guido werden demnächst ihren Freiwilligendienst in Kindergärten fortsetzen. Ines Sagner, Leiterin des Sozialkaufhauses, ist ein wenig traurig, wenn sie daran denkt, dass Ombeni bald weiterziehen wird: „Er ist eine beliebte, vielseitige Person. Am liebsten würden wir ihn bei uns behalten“, lächelt sie. Ähnlich sieht es Manfred Hansen, Leiter der Radstation: „Guido bringt eine professionelle Atmosphäre in den Betrieb“, lobt er. „Er wird von allen gern gemocht, übernimmt Verantwortung und man merkt, dass er im technischen Bereich zu Hause ist. Wir freuen uns über jeden Tag, an dem er hier ist. So ist für alle eine Win-Win-Situation entstanden. Guido ist für uns ein absoluter Glücksgriff.“

Dabei ist freilich eine gründliche Vorbereitung notwendig. „Ohne die akribische Vorab-Organisation wäre gewiss nicht alles so reibungslos abgelaufen“, sind sich Ines Sagner und Manfred Hansen sicher. Denn Matthias Tolsdorf, Pastor und Referent der Nordkirche und damit zuständig für ökumenische Bildungsarbeit, muss im Vorwege prüfen, wer wo am besten einsetzbar ist, damit der Aufenthalt zu einem Erlebnis wird, das rundherum in guter, Frucht bringender Erinnerung bleibt. Tolsdorf koordiniert darüber hinaus auch die vier Kooperationspartner: Das ist zunächst die „Einsatzstelle“ Diakonisches Werk Husum, aber auch das evangelische Kita-Werk im Kirchenkreis Nordfriesland, das Christian-Jensen-Kolleg und das Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit. Alle vier Partner teilen sich die Finanzierung.

Fühlten sich gut und vorurteilsfrei angenommen und werden bei ihrer Abreise nicht mehr die Menschen sein, die sie bei ihrer Ankunft in Deutschland waren: Guido Schanzenbach aus Argentinien (links) und Ombeni Lance aus Tansania.

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