Sonja Wenzel

Prof. Dr. Stefan Krüger, Aufsichtsrats-Vorsitzender des DW Husum, eröffnete die Veranstaltung mit einem Blick auf die „Brandrede“ des Hamburger Theologen Johann Hinrich Wichern auf dem ersten evangelischen Kirchentag in Wittenberg des Jahres 1848, also vor genau 175 Jahren. Die Rede gilt als „Geburtsstunde der Diakonie“. So leistet das Diakonische Werk heute vielfältige Dienste am Menschen in der Region. „Wir haben Sie eingeladen, weil Sie mit Ihrem Engagement, Ihrer Verbundenheit, Ihrem ehrenamtlichen Einsatz dem Diakonischen Werk nahestehen. Die Einladung ist eine Wertschätzung Ihrer Arbeit.“

„Zur See“ – das im Herbst des vergangenen Jahres erschienene Buch der Husumer Autorin Dörte Hansen war Dreh- und Angelpunkt der traditionellen Aschermittwochslesung im Diakonischen Werk Husum. Ihre Gesprächspartnerin war – ebenfalls traditionell – Professor Dr. Maria-Theresia Leuker-Pelties, die klug, charmant und beredt durch die Veranstaltung führte.
Die Schriftstellerin, mittlerweile viel beachtet und mit einer Reihe angesehener Literaturpreise ausgezeichnet, las aus ihrem dritten Roman, der es auf Anhieb ganz nach vorn auf mehrere Bestsellerlisten schaffte: Eine zierliche Frau im schwarzen Pulli und mit schwarzer Hornbrille am Stehpult in der nahezu familiären Atmosphäre geladener Gäste, die dem Diakonischen Werk Husum auf die eine oder andere Art und Weise treu verbunden sind.

Ihre beiden erfolgreichen Werke „Altes Land“ und „Mittagsstunde“ wurden verfilmt für Kino und Fernsehen und handeln von der raschen Veränderung der Welt, in der wir leben. Auch in ihrem neuen Buch stellt Dörte Hansen eine zentrale Frage: Warum zieht es uns Menschen so stark ans Meer und warum haben wir solche Sehnsucht nach dem Leben auf einer Insel, wo doch der Insel-Alltag keineswegs nur fröhlich-bunt und puppenstubenhaft ist und sich auch dort die Welt durch den Tourismus gewaltig verändert? Was hat es mit diesem geheimnisvollen Sog auf sich, der uns immer wieder ergreift? Dörte Hansen geht dieser Frage nach, nähert sich ihr behutsam und unaufdringlich, lässt das Thema reifen wie eine „nachwachsende Ressource“, schwingt sich auf den Atem der See ein, auf das wogende Auf und Ab: „Jedes Buch braucht seinen Ton“, sagt sie im Dialog mit Dr. Maria-Theresia Leuker-Pelties. Hier sei er schwer zu finden gewesen, oft habe sie mit Worten gerungen: „Rhythmus war ein großes Thema für mich, ich wollte das An- und Abschwellen der Wogen, der Brandung abbilden.“

Nach einer Art „Erfolgsdruck“ gefragt, antwortete Dörte Hansen diplomatisch: Es sei wohl schlimmer, wenn man Bücher verfasse, die völlig unbeachtet bleiben; deshalb sei „Druck durch Erfolg“ eher „Jammern auf höchstem Niveau“. Letztlich habe sie aus den Erfolgen ihrer beiden voraufgegangenen Bücher „nichts gelernt, was mir hätte helfen können – man fängt immer wieder bei Null an“.

Wie dem auch sei: Alle Figuren, die Dörte Hansen mit beeindruckender Klarheit formt, reden nicht viel, sind ein wenig maulfaul und hängen irgendwie zusammen an unsichtbaren Bändern, gleichgültig ob es nun Ryckmers herbe Mutter ist oder seine tätowierte Schwester, die eine typische Inselfrau, die andere weder Letzteres noch eine Festländerin, eher eine Art Familienhüterin. In einem „Scharnierkapitel“ strandet auch ein verendender Wal auf einer benachbarten, kleinen Insel, was früher als ein böses Omen galt; Sturmfluten, Sagen und Mythen der Küste spülen hoch, und dabei ist der Decksmann Ryckmer der Insel-Chronist wider Willen. Doch es ist keine düstere Welt, die Dörte Hansen entwirft, sondern der scharfe, klare Blick auf das Spannungsfeld zwischen Zeitenwandel und Traditionen, die nicht totzukriegen und manchmal recht geheimnisvoll sind. Dörte Hansen: „Mit dem Buch habe ich Fragen aufgeworfen. Spannend ist immer wieder die Reaktion von Hörern und Lesern, wobei manche sich getröstet fühlen. Ich finde nicht unbedingt Antworten – aber wir können Fragen miteinander teilen.“

Volker Schümann dankte im Anschluss den beiden Hauptpersonen für den lebendigen Abend und den Organisatorinnen Hanna Diallo und Annika Leese, die gewissermaßen „backstage“ für reibungslose Abläufe gesorgt hatten. Das I-Tüpfelchen war das Büffet mit Fingerfood, das von der Küche des Christian Jensen Kollegs zubereitet worden war.

Dörte Hansen liest aus ihrem Roman „Zur See“.

Von links: Volker Schümann (Geschäftsführer Diakonisches Werk Husum), Prof. Dr. Maria Leuker-Pelties (Veranstaltungsmoderatorin), Autorin Dörte Hansen

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