„Wohnen und Essen ist relativ leicht zu organisieren. Die Integration ist schon schwieriger, daran müssen wir noch arbeiten, auch wenn wir das schon ganz ordentlich machen. Doch auf hoher und allerhöchster Ebene ist noch viel zu tun und deutlich mehr Luft nach oben – das ist noch nett ausgedrückt.“ So äußerte sich Husums Bürgermeister Uwe Schmitz am Weltflüchtlingstag, den das Diakonische Werk Husum (DW) gemeinsam mit der Kirchengemeinde Husum und dem Kirchenkreis Nordfriesland sowie weiteren Akteuren kürzlich auf der Slipanlage beim Husumer Rathaus beging. Weltweit befinden sich rund 82 Millionen auf der Flucht vor Hunger, Ausweg- und Hoffnungslosigkeit, vor Terror und Folter. Seit dem Jahre 2001 findet der Weltflüchtlingstag statt. Er soll die Öffentlichkeit aufrütteln und auf das Schicksal dieser Menschen aufmerksam machen. Im Gespräch mit Adelheit Marcinczyk, Geschäftsbereichsleiterin „Arbeit und Soziales“ beim DW, zog Schmitz für Husum eine positive Bilanz, legte jedoch den Finger in die Wunde der „großen“ Politik: „Husum zeichnet sich durch Weltoffenheit aus. Das spiegelt sich bei der Bevölkerung und in den Verwaltungsstellen des Kreises und der Stadt wider. Wir lassen Menschen in Seenot auch nicht einfach ertrinken. Jedoch lassen viele EU-Staaten den europäischen Gedanken vermissen. Vieles wird einfach mitgemacht und die Augen werden vor der Realität verschlossen.“

Es gibt aber auch Menschen, die tatkräftig zupacken. Dazu gehört Kai Anders aus Itzehoe, Aktivist bei der Organisation „Sea Watch“. Er ist Notfallsanitäter im Rettungsdienst. „Ich habe das Retten gelernt“, sagt der zweifache Familienvater, der seinen Urlaub aufspart, um mit der „Sea Watch 3“, einem Rettungsschiff, auf mitunter eineinhalb Monate dauernde Missionen ins Mittelmeer zu fahren und Menschen aus höchster Not in Sicherheit zu bringen. „Es ist eine große Herausforderung, Personen mit ganz einfachen Mitteln zu versorgen. Dies kostet auch viel Geld und wir sind der Kirche dankbar, die uns mit finanziellen Mitteln unterstützt“, sagte er. Auch lege manche EU-Stelle „Steine in den Weg“ und erschwere die Bergung: „Schiffe werden festgesetzt, wir werden kriminalisiert und angeklagt. Europa gleicht einer Festung. Wir fordern legale Fluchtwege“, so Anders. Ähnliches ist Stefan Schmidt, dem schleswig-holsteinischen Beauftragten für Flüchtlings, Asyl- und Zuwanderungsfragen, widerfahren: In einem sechs Jahre dauernden Prozess stand der auch als „Schlepperkapitän“ bezeichnete Nautiker vor Gericht. „Wir haben Schuld am Tod eines jeden Einzelnen, der ertrinkt. Die, die den tödlichen Fluchtweg über das Mittelmeer antreten, wollen auf gar keinen Fall zurückgeschickt werden und nehmen lieber den Tod durch Ertrinken in Kauf, als in den Folterlagern der nordafrikanischen Mittelmeer-Anrainerstaaten zu landen.“

„Die Waage, die unser Tun und Lassen wiegt, rechnet in der Einheit der Liebe“, brachte es Pastor Friedemann Magaard auf den Punkt, der gemeinsam mit Pastorin Heike Braren und Karsten Wolff, dem Ökumenebeauftragten des Kirchenkreises Nordfriesland, den Gottesdienst in der Marienkirche leitete. Sie schauten weit in die Geschichte zurück, die auch heute noch so aktuell wie nie ist: „Jesus war ein Flüchtlingskind. Auch Jakob und seine Familie verließen ihre Heimat, weil sie zu verhungern drohten.“ Beide Geistliche waren an der nachfolgenden Veranstaltung auf der Slipanlage beteiligt. Heike Braren nahm mit den Konfirmanden Jörn Malte, Finn Jannik, Jesper, Lena und Hanna einigen Vorurteilen den Wind aus den Segeln, unter anderem hieß es: „Von den über 80 Millionen Flüchtlingen werden die meisten in ihren eigenen Nachbarländern aufgenommen. In Europa haben nur knapp drei Millionen von ihnen eine Heimat gefunden. Deutschland steht auf Platz fünf der Aufnahmeländer.“ Oder: „Niemand verlässt aus Spaß seine Heimat. Es steht immer existenzbedrohende Not dahinter. So ist es auch kein ‚Tourismus‘, aus dem Elend zu fliehen.“

„Wir verrichten eine wichtige, segensreiche Arbeit, doch wir müssen sie in einen größeren Zusammenhang stellen und das täglich sich abspielende Flüchtlingsdrama benennen, darauf aufmerksam machen und helfen“, befand DW-Geschäftsführer Volker Schümann.

Das Foto zeigt Kai Anders und Karsten Wolff in der Marienkirche.

Text: Sonja Wenzel

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