Anlässlich der Interkulturellen Woche (IKW) blicken sechs Neubürger und Neubürgerinnen aus Husum auf ihre Erfahrungen in ihrer neuen Heimat Deutschland zurück
Sonja Wenzel
Unvoreingenommenheit und ein offener, freier und wissbegieriger Geist sind Dreh- und Angelpunkt der Interkulturellen Woche (IKW), die am 29. September endet. Im Jahre 1975, also vor einem knappen halben Jahrhundert, initiierten die Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland und die Griechisch-Orthodoxe Metropolie die „Interkulturelle Woche“, die heute viele Unterstützende hat. Ein grundsätzliches Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für das Zusammenleben von Deutschen und ausländischen Neubürgern und -bürgerinnen zu verbessern. Durch Begegnungen und Kontakte sollen das gegenseitige Verständnis verbessert, Vorurteile abgebaut und Toleranz entwickelt werden für Vielfalt; denn diese beflügelt und befruchtet und setzt Energien frei, die sich in Kreativität verwandeln, um Probleme zu lösen oder Neues zu entwickeln.
Christine Wittstock vom Teilhabe- und Begegnungsprojekt „Ankommen. Andocken.“ des Diakonischen Werks Husum bringt es auf den Punkt: „Ein Mensch kann sich an einer Landesgrenze nicht einfach ab- und aufgeben. Es ist immer wieder die Frage, wie man in einem fremden Landleben kann, ohne seine Wurzeln zu kappen. Sicherlich sind die Gesetze des Landes einzuhalten – aber das eigene Leben muss in Freiheit und mit der Kultur, die man aus der Heimat mitbringt, stattfinden.“ Sechs Geflüchtete – Loujain Baker, Leila Butova, Kapital Goitom, Sonia Hamidi, Rafah Ramadan und Mohammad Saied Yektaparast – sprachen über ihre Erfahrungen in Deutschland, über Positives und Negatives und darüber, was besser laufen könnte. Sie kamen in den Jahren 2015 bis 2022 nach Deutschland und arbeiten heute entweder als Sprach- und Kulturmittler, in der Gastronomie, als Sozialpädagogische Assistentin, verwalten den Haushalt und erziehen ihre Kinder oder absolvieren eine Ausbildung.
„Je besser ich die deutsche Sprache beherrsche, umso besser fühle ich mich integriert, kann Kontakte knüpfen und kommunizieren“, sagt Mohammad Saied aus dem Iran. Das Bedeutsamste ist für ihn die Beherrschung der Sprache beim Aufbau eines neuen Lebens. Auch seien die Menschen hier diszipliniert und bei Schwierigkeiten gebe es viele Stellen, an die man sich wenden könne. Was die Sprache anbelangt, empfindet Leila aus der Ukraine ähnlich: „Man muss Schritt für Schritt vorangehen und vor allem muss man Deutsch lernen.“ Loujain aus Syrien bewertet die gute Versorgung, die Sicherheit für Leib und Leben bei ihrer Ankunft als sehr entspannend. Sie ist immer noch dankbar, besonders für die gute und verständnisvolle Behandlung der Kinder im Allgemeinen, was nach ihrer Meinung dazu beitragen könnte, die Welt gerechter und freundlicher zu machen. Sonia aus Afghanistan freut sich über ihren persönlichen Freiraum und ist dankbar für die Offenheit des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland: „In meiner Heimat dürfen Frauen nicht arbeiten, sich nicht als Händlerin betätigen. Das Tragen eines Kopftuchs oder einer Burka ist Pflicht. Wir haben hier viel mehr Möglichkeiten zur Lebensgestaltung.“ Leila ist dankbar dafür, hier „ein neues Leben beginnen zu können, den Traumberuf zu erlernen und darin zu arbeiten“. Kapital aus Eritrea ist froh über die Schulpflicht für alle, denn in ihrem Land gebe es diese nicht; nur „die Militärpflicht ist für alle“.
Dennoch gibt es einige Wermutstropfen im neuen Leben. Manche sind durchaus beängstigend, denn der Rassismus ist an vielen Stellen präsent. Zwar werden Anfeindungen meistens nicht laut ausgesprochen, aber: „Ich sehe es an den Augen“, so Loujain. Die hitzig und unsensibel geführte Migrationsdebatte macht allen Angst: „Nur negative Erfahrungen werden verbreitet, es gibt keine positive Fokussierung. Schnell werden alle Geflüchteten undifferenziert in einen Topf geworfen. Dabei möchte die große Mehrheit hier Frieden finden und sich ein eigenständiges Leben aufbauen.“ Rafah aus Syrien hat zwei Kinder in Deutschland geboren: „Sie sprechen fließend Deutsch, es sind deutsche Kinder, aber man lässt sie nicht deutsch sein“, befindet sie. Außerdem frustriert es sie, dass hochwertige, ausländische Ausbildungen in Deutschland nicht oder nur teilweise anerkannt werden. Mohammad Saied wünscht sich eine bessere Versorgung mit Deutschkursen auf höherem Level. Doch diese sind Mangelware. Projektmitarbeiter Majd Al Kasir sieht noch einen anderen Aspekt: „Wer in Deutschland bleiben möchte, ist verpflichtet, den Integrationskurs zu belegen. In Nordfriesland sind etwa 800 Personen auf der Warteliste für einen Integrationskurs. Diese Menschen warten dringend darauf endlich zum Zuge gekommen.“