Es ist nicht nur ein Problem in Großstädten; auch „auf dem Lande“ ist es ein Thema, dem zunehmend Aufmerksamkeit gewidmet werden muss: Die „Loverboy-Methode“, die bei Mädchen und jungen Frauen irreparable seelische Schäden anrichten kann. Bei einer kürzlichen Online-Veranstaltung mit dem Namen Traumprinz oder Zuhälter: „Was machst du aus Liebe“ nahmen rund 50 Fachkräfte aus dem nördlichen Schleswig-Holstein, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, teil. Es referierte Anika Schönhoff, Koordinatorin von „Liebe ohne Zwang“ – einem Präventionsprogramm für Jugendliche – über die „Loverboy“-Methode“. Dieses Programm ist als Projekt eingebettet in das „Netzwerk gegen Menschenhandel e.V.“ in Berlin.

In unserer Region hat sich im vergangenen Jahr der Arbeitskreis „Was machst du aus Liebe“ gegründet, in dem verschiedene Akteure, die mit jungen Menschen arbeiten, vertreten sind. Dazu gehören die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Husum, der Mädchentreff Husum (profamilia), die Streetwork und das Kinderschutz-Zentrum Westküste vom Diakonischen Werk Husum, der Frauennotruf NF/die Frauenberatungsstelle, das BISS Husum, das Jugendamt des Kreises Nordfriesland sowie die Schulsozialarbeit, der Mädchentreff Ostenfeld und das Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk. Ziel ist es, dieses komplexe Thema öffentlich zu machen und aus der Tabuzone herauszuholen sowie Jugendliche, Fachkräfte und erwachsene Vertrauenspersonen zu sensibilisieren, zu stärken und bestimmte Hilfsangebote für Betroffene aufzuzeigen und miteinander zu vernetzen.  

Der Begriff „Loverboy“ wurde zunächst in den Niederlanden geprägt – harmlos und irgendwie „nett“ klingend für ein kriminelles Verhalten: Ein junger Mann, meistens zwischen 18 und 30 Jahre alt, täuscht eine innige Liebesbeziehung zu einem sehr viel jüngeren Mädchen vor, um es später in die Prostitution zu zwingen. Ein Loverboy bewegt sich in der Schnittmenge von Menschenhandel und Prostitution, ist also Menschenhändler und Zuhälter zugleich. Die Dunkelziffer der auf diese Weise brutal ausgebeuteten Frauen und Mädchen ist gewaltig, weil sich viele aus Angst und Scham nicht offenbaren mögen; dennoch verzeichnen Beratungsstellen eine deutliche Zunahme von Betroffenen. Loverboys sehen gut aus, sind zumindest aber charmant und amüsant, haben viel Zeit und spielen angeblich mit Freude „Taxi“ für die junge Frau, sie versprechen eine ewig dauernde, gemeinsame Zukunft, kurz – sie gaukeln ihr die perfekte Beziehung vor: Einzig zu dem Zweck, die absolute Kontrolle über sie zu gewinnen und zu isolieren – um sie über kurz oder lang unter Gewaltandrohung in die Prostitution zu zwingen.

Betroffen sind junge Mädchen und Frauen – zum Teil sogar noch Kinder – im Alter zwischen elf und 27 Jahren. Meistens leben sie in schwierigen oder ungeklärten Verhältnissen: Dazu gehören die Scheidung der Eltern oder auch die eigene Pubertät. Ihrem Selbstwertgefühl mangelt oft die Festigkeit. Ebenso verfügen sie unzureichend über belastbare Verbindungen zu „echten“, realen, vertrauenswürdigen Menschen. Betroffene verändern sich recht schnell, sowohl äußerlich als auch im Verhalten und neigen zu Müdigkeit und Stimmungsschwankungen. Auffallend sind oft die abfallenden schulischen Leistungen. Freilich müssen Betrachtende „von außen“ stets mit maßvollem Auge unterscheiden zwischen einer „normalen“ und einer unangemessenen, absonderlichen Veränderung.

Wer solche Veränderungen an der Tochter, der Freundin oder der Schülerin bemerkt, sollte in jedem Falle Ruhe bewahren, Stabilität und einen „sicheren Hafen“ bieten und signalisieren: „Ich bin für dich da, du bist ohne Schuld, so etwas passiert vielen“. Das Verbindungsband sollte unbedingt bestehen bleiben – ohne dass Vorwürfe herabhageln oder Ultimaten gestellt werden. Auch ist es eine gute Maßnahme, die Polizei einzuschalten oder auf – anonyme – Beratungsstellen hinzuweisen.

„Solche Fälle zu erkennen, ist nicht einfach. Dafür ist die Prävention umso wichtiger, weil sie Schutz vor lebenslanger, psychischer Verletzung bietet. Rechtlich sind Loverboys schwierig zu verfolgen, da der Zwang selten nachweisbar ist. Sind die jungen Frauen über 18 Jahre alt, ist mangelnde Freiwilligkeit ebenfalls schwer zu belegen. Außerdem können Traumatisierte oft nur ungenaue oder gar keine belastbaren Aussagen treffen. Dennoch haben sich Anwälte auf diese Thematik mittlerweile spezialisiert“, so Anika Schönhoff. Meistens ist die Hoffnung der Mädchen und Frauen, „dass die Beziehung noch einmal so perfekt wird wie zu Anfang“ unerschütterlich, so dass ein energisches Beenden der Verbindung aus eigener Kraft fast unmöglich ist. Junge Frauen, die „nein“ sagen können, gut informiert sind, eine Vorstellung vom späteren, eigenen Leben und individuelle Standpunkte haben, sind auf jeden Fall weniger gefährdet, einem Loverboy zu erliegen.

Infobox

Das Projekt „Liebe ohne Zwang“ bietet ein analoges und digitales Materialheft mit umfassenden Informationen. Auch werden Workshops, Elternabende und die Schulungen von Multiplikatoren und Multiplikatorinnen angeboten. Ziel des Arbeitskreises „Was machst du aus Liebe“ ist es, die Verbreitung des druckfrischen Flyers für Betroffene zu fördern. An einem weiteren Flyer für Helfende und Erwachsene wird derzeit gearbeitet. Außerdem steht die Planung von Präventionsprojekten unter Beteiligung junger Menschen zur Sensibilisierung und Stärkung an. Weitere Informationen gibt es unter www.liebe-ohne-zwang.de.

Text: Sonja Wenzel

Weitere Beiträge