„Suchtberatung ist immer Beziehungsarbeit. Manche unserer Klienten und Klientinnen kennen wir seit vielen Jahren. Personalmangel und zusätzlich die Corona-Pandemie haben deutlich gemacht, wie prekär die gesamte Situation für alle Suchtberatungsstellen und die betroffenen Menschen ist“, fasst Monika Weiss-Menke zusammen. Sie ist Leiterin der Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke des Diakonischen Werks Husum. In einem gewaltigen Kraftakt haben sie und ihr Team mit persönlichem Einsatz und Einfallsreichtum versucht, die ärgsten Corona-Zeiten für Menschen mit Suchtproblemen so erträglich wie möglich zu machen.

Zuhören, miteinander sprechen, einen Rat geben und in die nächste Etappe auf einem beschwerlichen Weg helfen – und auf der anderen Seite einfach den „Druck aus dem Kessel“ lassen, gesprächsweise etwas ordnen, oder sich schlicht und menschlich „ausheulen“ dürfen: Das ist die Grundstruktur einer erfolgreichen Beziehungsarbeit. Doch diese funktioniert nun mal am besten von Angesicht zu Angesicht. Das aber war in der jüngsten Vergangenheit ein Unterfangen voll mit nie dagewesenen Herausforderungen. „Es gibt Menschen, die aus ihrer Lebensgeschichte heraus daran gewöhnt sind, Frustsituationen sich mit Suchtmitteln erträglicher zu machen. Erlernte Mechanismen, die dazu dienen, andere Möglichkeiten zu entdecken und zu nutzen, greifen oftmals nicht. Dann wird auf altbekannte Muster zurückgegriffen“, erklärt Monika Weiss-Menke die vielschichtige Problematik. Dies gilt besonders bei so genannten „stoffungebundenen“ Verhaltenssüchten, wie Spiel- und Kaufsucht oder Medienabhängigkeiten. Viele Betroffene haben sich zurückgezogen – ein Verhalten, das durch die Kontaktbeschränkungen noch gefestigt wurde. „Die Treffen in den Gruppen, der Austausch mit Gleichgesinnten ist weggefallen.“

Doch das personell auf extrem „dünner Decke“ agierende Team hat Organisationstalent bewiesen und aus der Not eine Tugend gemacht: „Wir haben versucht, den Bedarf in zeitversetzten Einzelgesprächen abzudecken. Auch ist es gelungen, manche unserer Klienten und Klientinnen an andere kooperierende Stellen weiterzuleiten. Oftmals sind wir wegen der Hygienevorschriften während der Gespräche draußen spazieren gegangen.“ Ein zusätzlicher „Knackpunkt“ war, dass die meisten Suchtkliniken nur verzögert Patienten und Patientinnen aufnehmen konnten  und auf diese Weise gewissermaßen ein „Stau“ entstanden ist: „Die Wartezeiten haben wir gemeinsam mit den Betroffenen überbrückt.“ Oftmals wurden Termine für schon länger in der Suchtberatungsstelle betreute Klienten und Klientinnen etwas „auseinandergezogen“, um dringenden, unaufschiebbaren Fällen den nötigen Raum, die nötige Zeit und Ruhe zu geben. Therapeutische Gespräche haben Monika Weiss-Menke und ihr Stab aus Mitarbeitenden auch über das Telefon und – in einigen möglichen Fällen – per Videokonferenz durchgeführt, aber: „Dies ersetzt nie die Beratung ‚face-to-face‘.“ Wenn auch die Betroffenen sehr entgegenkommend reagiert haben, wenn beispielsweise manches Gespräch gezwungenermaßen verkürzt werden musste, so ist Monika Weiss-Menke über die Gesamtsituation nicht glücklich: „Die langen Wartezeiten, die sich für uns ergeben haben, um alle zu erreichen, sind für Menschen in Not, zumal wenn eine Familie daran hängt, sehr belastend. Auch für  Angehörige war es häufig schwer, zeitnah einen Gesprächstermin zu bekommen.  Es durfte trotz aller Schwierigkeiten für die Suchtkranken und ihre Familien nie das Gefühl aufkommen, dass sie sich selbst überlassen wurden. Weil viele Hilfsangebote nur eingeschränkt verfügbar waren, haben wir Betroffene dazu ermutigt, sich gegenseitig zu unterstützen.“

In Krisenzeiten aktualisieren sich viele alte Muster einer Sucht, was durch Corona nochmals potenziert worden ist. Doch wer, so Monika Weiss-Menke, eine Therapie abbrechen oder rückfällig werden sollte, fängt nicht bei Null wieder an, sondern hat die Chance, aus einem Fundus neuer, besserer Erfahrungen zu schöpfen, erlernte Werkzeuge zu benutzen und manche zuverlässig tragfähige Eselsbrücke zu betreten. „Auch wir sind optimistisch, dass wir aus der jüngsten Vergangenheit viel gelernt haben und jetzt über ein Polster an Wissen und Erfahrung im Umgang mit ähnlichen Situationen verfügen.“ Besonders freuen sie und ihr Team sich über viel positive, zum Teil sehr anrührende Rückmeldungen der Klienten und Klientinnen. „So etwas baut auf und hilft uns bei der Verrichtung unserer Arbeit, es tut wohl und gibt unserer Arbeit zusätzlich einen Sinn.“

Text und Foto: Sonja Wenzel

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Monika Weiß-Menke: „Suchtberatung ist Beziehungsarbeit und war in den vergangenen Krisenzeiten nur schwer zu bewerkstelligen.“

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