Sonja Wenzel

„Ein anständiger Mensch“ – so lautet der Titel des Buches, aus dem dessen Autor Jan Christophersen kürzlich beim Diakonischen Werk Husum las. Seit vielen Jahren finden diese Autorenlesungen statt – traditionell immer am Aschermittwoch. Aus Pandemiegründen konnte dieser Brauch nicht fortgeführt werden, lebte jetzt aber wieder auf in dem rustikalen „Werkstatt-Ambiente“ der Bootshalle der „Landungsbrücken“ beim Amalie-Sieveking-Haus.

„Wir haben uns lange auf diese Veranstaltung gefreut“, sagte DW-Aufsichtsratsvorsitzender Professor Dr. Stefan Krüger, zu der rund 30 geladene Gäste erschienen waren. Die Lesung ist jedes Jahr ein Dank an Freunde und Förderer des Diakonischen Werks Husum. Dr. Krüger dankte dem Diakonischen Werk für dessen praktizierte Nächstenliebe, für die Hilfen, die es Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen angedeihen lässt. „Es gibt viele Angebote, die in den vergangenen Monaten verstärkt nachgefragt wurden.“ Er dankte der Belegschaft, die sich ins Zeug gelegt und mit gewaltigem Engagement, innerer Verbundenheit mit den Menschen, durch Rat und Tat manche Situation gemildert hat: „Das ist nicht selbstverständlich“, fuhr er fort.

Der gebürtige Flensburger Jan Christophersen, Baujahr 1974, kommt aus Kappeln, studierte unter anderem am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, das sein Verständnis – nach eigenem Bekunden – für Literatur enorm erweitert hat und den Wunsch in ihm reifen ließ Schriftsteller zu werden. Sein Debütroman „Schneetage“ erschien im Jahre 2009 und wurde ausgezeichnet mit dem Debütpreis des Buddenbrookhauses in Lübeck. Es folgte „Echo“ im Jahr 2014. Zudem war er Herausgeber des Erzählband „Ein extraherrlicher Meersommerabend“ mit „18 Geschichten mit Salzwasser“.

„Ein anständiger Mensch“ erschien vor zwei Jahren. Es ist ein Buch über jemanden, der sich schuldig macht – ohne Absicht gewissermaßen „schuldlos schuldig“ wird. Christophersen hat das Buch in zwei Teile geteilt: „Davor“ und „Danach“. Es handelt von einem verhängnisvollen Wochenende, das zwei befreundete Paare miteinander verbringen und an dem sich mehrere Katastrophen anbahnen. Hauptfigur ist ein Intellektueller, der bekannte Philosoph Steen Friis, der sich zu Fragen des Anstands äußert und der gern öffentlich in den Medien zitiert wird. Gleichwohl ist er selbst von kleinkrämerischer Natur, oft umständlich und nicht der Sympathieträger schlechthin: Wer über Anstand schreibt, muss es nicht unbedingt selbst sein. Die Frage ist, wie definiert sich Anstand – für ein „richtiges Leben“, trotz der menschlichen Abgründe, wie Wut- und Gewaltfantasien. Letztendlich kommt sich Steen Friis auf die Schliche und „seziert“ sich selbst.

Auch das anschließende Autorengespräch mit Professor Dr. Maria-Theresia Leuker-Pelties hat schon gute Tradition: Klug und charmant moderierte sie den Abend. Die Natur und ihre Geschöpfe spielen eine bemerkenswerte – oft symbolische – Rolle: ein gelbäugiger Falke, ein hämmernder Specht, Karnickel, Fuchs, Wespen und sogar Zecken. „Ich glaube, die Natur warnt und ruft, die Tiere wissen mehr als wir. Es gibt viele Rufe und Codes von außen und diese mahnen die Menschen, auf ihren Instinkt zu hören“, führte der Autor aus.

Jan Christophersen ist mit einer Schriftstellerin verheiratet: „Sie arbeitet oben im Haus, ich unten, wir schreiben uns Mails, wenn wir einander etwas mitteilen wollen.“ Zur Familie gehören zwei Kinder und ein Hund. Die früheren Rituale für entspanntes Schreiben, wie eine Tasse Tee und eine brennende Kerze, brauche er heute nicht mehr: „Als die Kinder da waren, war für dergleichen keine Zeit mehr.“ Für die Zeit des „Home Schooling“ war das Schriftsteller-Ehepaar perfekt vorbereitet, da ohnehin stets daheim arbeitend. Dennoch: „Durch die Coronazeit fiel die Öffentlichkeit weg, es fehlten die Lesungen.“ Christophersen recherchierte bereits einen historischen Stoff, legte dieses jedoch zunächst beiseite: „Er passte nicht in die Krisenzeit. Viele Projekte ergeben oder ändern sich durch äußere Einflüsse.“ Doch freuen kann sich das lesende Publikum auf ein Buch, das in nicht allzu ferner Zukunft erscheinen wird: Die „Gebrauchsanweisung für Schleswig-Holstein“.

Die Veranstaltung schloss ab mit kleinen Leckerbissen, die Frauke Tramm mit dem Team der Bahnhofsmission vorbereitet hatte. Die gesamte Organisation oblag den Mitarbeiterinnen Annika Leese und Hanna Diallo. DW-Geschäftsführer Volker Schümann lobte den aufgeräumten „Industrial Chic“ der Bootswerkstatt und dankte allen, die am Gelingen des Leseabends beteiligt waren, besonders Dr. Maria-Theresia Leuker-Pelties für die Moderation und Jan Christophersen für sein Erscheinen und den kurzweiligen Literaturabend.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Prof. Dr. Stefan Krüger begrüßt die Gäste der Lesung.
Autor Jan Christophersen liest aus „Ein anständiger Mensch“.
Die geladenen Gäste konnten sich nach der langen Corona-Pause wieder an einer Veranstaltung erfreuen.
Autor Jan Christophersen im Gespräch mit Prof. Dr. Maria Leuker-Pelties.
Volker Schümann bedankt sich für den gelungenen Abend.
Frau Prof. Dr. Leuker Pelties freut sich über die Blumen.

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