Sonja Wenzel

Sie hat schon längst Traditions-Status erreicht: Die „Lange Tafel“ auf dem Husumer Marktplatz ist ein jährlicher Publikumsmagnet und, gewissermaßen „unter den Fittichen“ der Husumer Marienkirche, per se schon unter den Segen Gottes gestellt. „Der Regenbogen steht für Frieden und Gleichwertigkeit, er symbolisiert die Wichtigkeit eines jeden Menschen; er verbindet Gegensätze. Deshalb sind wir heute hier: Wir verbinden mit der langen Tafel Menschen und weisen gleichzeitig auf die Bedeutung der Tafeln hin.“ Mit diesen treffenden Worten brachte die Geschäftsbereichsleiterin des Diakonischen Werks Husum, Adelheit Marcinczyk, das Wesen der Veranstaltung auf den Punkt. Gemeinsam leiten das Diakonische Werk Husum (DW) sowie die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Tafel, die auf Ehrenamtlichkeit aufgebaut ist.

Gleichgültig, ob Ehrengäste oder Passanten – alle Menschen waren herzlich eingeladen, gegen einen kleinen Obolus einen – vielleicht auch zwei – umwerfend appetitlich duftende Teller Suppe an „langen Tafeln“ zu sich zu nehmen; kleiner Schnack mit dem möglicherweise unbekannten Nachbarn – oder der unbekannten Nachbarin – inbegriffen. Es gab Pizzasuppe mit Rinderhack und vegane Gemüsesuppe mit Falafelbällchen, die Klaus Carstensen, Mensachef des Friedrich-Paulsen-Gymnasiums in Niebüll, gekocht hatte – unter Assistenz seiner Mitstreiter Maximilian, Koch im „Nordfriesischen Lammkontor“ sowie dessen Auszubildender im dritten Jahr, Lars-Oke. Wie wichtig die Tafel ist, machte Charly Häuber deutlich: „Wir haben für die Tafeln in Husum, Tönning und Bredstedt sowie für die mobile Tafel etwa 1.150 registrierte Haushalte mit durchschnittlich drei Angehörigen. 70 Prozent davon sind aktiv, wiederum rund die Hälfte davon sind ukrainische Geflüchtete, ein Viertel sind Deutsche und der Rest teilt sich auf verschiedene Nationalitäten auf. Jede Woche haben wir acht bis zwölf Neukunden. Wir versorgen bis zu dreieinhalbtausend Personen.“ Rolf Riemann, Leiter der mobilen Tafel – übrigens die einzige in Deutschland – sprach nochmals von rund 70 Kunden und Kundinnen in den Landgemeinden Viöl, Garding, Sankt Peter-Ording und Friedrichstadt. „Noch können wir alle bedienen und hoffen, dass es weitergeht. Die Lebensmittelmenge ist begrenzt und jeder soll etwas bekommen“, sagten beide. „Jeder Kunde und jede Kundin muss einen kleinen Beitrag zahlen – es soll sich niemand als Bittsteller fühlen; wir verschenken nichts. Wir erreichen somit den Respekt vor den Lebensmitteln.“ Es müsse doch möglich sein, die rund 3.000 Personen zu versorgen, wenn direkt nach dem Krieg mehr als eineinhalb Millionen Menschen in Schleswig-Holstein Wohnung und Essen bekommen haben, äußerte Alt-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der „das Bad in der Menge“ sichtlich genoss und mit vielen Besuchenden ins Gespräch kam. Er wies nachdrücklich darauf hin, dass ein Teil der Kirchensteuer beim Diakonischen Werk lande: „Ohne diese pekuniäre Unterstützung könnten manche Aufgaben nicht erfüllt werden.“

„Darf man sich über etwas freuen, was es eigentlich nicht geben dürfte?“, fragte Noch-Bürgermeister Uwe Schmitz im Hinblick auf die Existenz der Tafeln. Und weiter: „Wenn nur die Symptome gelindert werden, stimmt das System nicht. Der Staat sollte sich eher heute als morgen mit diesen Problemen befassen. Wie kann es beispielsweise angehen, dass Menschen arbeiten, aber von ihrem Lohn nicht leben können. Mittlerweile ist die Tafel auf Geldspenden angewiesen, um gewisse Warenarten aufzustocken, denn die Naturalien reichen nicht mehr aus.“ Gottlob funktioniere noch das gesellschaftliche Miteinander in Husum: „Die Menschen hier lassen die Schwachen nicht aus den Augen.“ Er dankte den rund 80 Ehrenamtlichen, die den Betrieb aufrechterhalten und lobte die Veranstaltung: „Vielleicht wäre der Welt mancher Konflikt erspart geblieben, wenn sich die Verantwortlichen zum gemeinsamen Essen an einer Tafel niedergelassen hätten.“ Er zollte den Kunden und Kundinnen Respekt: „Sie haben ein Recht auf Unterstützung.“ Die Leistung der Ehrenamtlichen würdigte Christian Grelck, Fachbereichsleiter für Soziales und Arbeit beim Kreis Nordfriesland: Insgesamt gebe es rund 40.000 Ehrenamtler in den deutschen Tafeln: Sie seien ein wichtiger Teil der Gesellschaft und wahrscheinlich die größte ehrenamtliche Bewegung des Landes. Grelck erwähnte ein fünf Millionen schweres Zuschusspaket, das der Kreistag – gegen Antragstellung – für Personen mit stark erhöhten Energiekosten geschnürt habe sowie ein weiteres, das dabei hilft, energiesparende Großgeräte zu finanzieren.

Die obligatorische Andacht hielten Andreas und Inke Raabe unter dem Motto: „Wir leben zwar nicht ohne Sorgen und Kümmernisse, können aber Orte schaffen, die die Sorgen lindern. Dazu gehören die Tafel und diese Veranstaltung.“ Adelheit Marcinczyk wünschte sich noch mehr ehrenamtlich Helfende bei der Tafel und dankte nicht nur dem Pastoren-Ehepaar Raabe, sondern auch dem THW sowie DW-Mitarbeiterin Sabine Kock und den Hausmeistern Rainer Hansen, Sven Stäwen und Praktikant „Niki“ für den Aufbau des gesamten Equipments. Ein „großes Dankeschön“ ging auch an alle unterstützenden Privatpersonen, Sponsoren, Verwaltungs-Mitarbeitende und Service-Clubs sowie an den Abfüllbetrieb „Husumer Mineralbrunnen“, der eine großzügige Getränkespende zu der Veranstaltung beigesteuert hatte.

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