Sonja Wenzel

Seit einigen Jahren findet in Husum jedes Jahr am Übergang vom Sommer zum Herbst die „Interkulturelle Woche“ statt. Diese Veranstaltungsreihe mit Ausstellungen, Filmen, Gesprächen, Theateraufführungen und Workshops dient der Information. Sie schafft Begegnungen, Denkanstöße und lässt Gemeinsamkeiten offenbar werden; sie wirft auch neue Fragen auf und beantwortet wiederum andere. Sie wird getragen vom Diakonischen Werk Husum, dem Verein „Fremde brauchen Freunde e.V.“ und dem evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Nordfriesland.

Ein gelungener Abschluss der diesjährigen Veranstaltungsreihe war der Film mit anschließendem Gespräch „Wir sind jetzt hier – Geschichten über das Ankommen“ im Husumer Rathaus. Die Regie führten Niklas Schenck und Ronja von Wurmb Seibel. Den Nährboden für einerseits Rassismus, andererseits aber auch für einfache Sorgen um das „Woher“ und „Wohin“ schuf im Jahre 2015 der Flüchtlingsstrom, als rund 800.000 Menschen, vorwiegend junge Männer aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder dem Irak nach Deutschland kamen. Auffallend war das Phänomen, dass in der Bevölkerung weniger mit, als eher über sie gesprochen wurde. An dieser Nahtstelle setzt der Film „Wir sind jetzt hier“ an und lässt sieben junge Männer zu Wort kommen, die von ihrer Ankunft in Deutschland erzählen und ihr Publikum mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt nehmen – hinein in Angst und Verzweiflung, aber auch in Momente voll Humor und Zuversicht.

Per Videoschaltung war der Regisseur Niklas Schenck mit dabei: Die Initialzündung zum Film sei in den Jahren 2013/14 entstanden, als er eine Zeit lang in Kabul gelebt und seine Ehefrau dort gearbeitet habe. Einige der Protagonisten hatte Schenck bereits in Afghanistan kennengelernt und später einen von ihnen im Rahmen der Flüchtlingssituation als Pflegesohn nach Deutschland geholt. Ahmed Al Sadoon, ein Interviewpartner aus dem Film, war bei der Veranstaltung anwesend und sprach bei der anschließenden Diskussion darüber, wie schwierig es anfangs war, Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen und die ersten „Gehversuche“ in der deutschen Sprache zu unternehmen. „Es hat sich herausgestellt, dass es besser funktioniert in einer kleinen Gemeinde auf dem Lande“, sagte er, aber auch: „Ein Teil der Seele bleibt immer bei der Familie.“ Ahmed Al Sadoon bekräftigte, dass die meisten in ihrer neuen Heimat gern einer geregelten Arbeit nachgehen, Geld verdienen und Steuern zahlen möchten, doch dass man ihnen auch Zeit lassen müsse, um ausreichend Deutsch zu lernen und eine Ausbildung mit Abschluss machen zu können. Doch leider sei die Entscheidung über den Aufenthalt für viele sehr lang: „Es ist dann ungewiss, ob ich weiterlernen darf oder ob ich einen Abschiebebescheid bekomme. Das tägliche Warten auf den Briefboten, der Gang zum Briefkasten, die dauernde Furcht vor dem gelben Umschlag begleitete uns: Wenn er dann kam, war es für alle ein unbeschreibliches Gefühl.“

Auf jeden Fall ist die Gesamtsituation verbesserungswürdig: „Viele Geflüchtete haben das Gefühl nicht gesehen oder verstanden zu werden. „Wir bitten um Wasser, doch sie geben uns Kaffee. Alle laufen durcheinander, doch niemand sieht uns“, hieß es. Regisseur Schenck lieferte ein paar Anregungen. Er kritisierte die Unterbringung in Massenunterkünften und machte sich für einen raschen Familiennachzug stark: „Der unmittelbare Kontakt ist der wichtigste Baustein für beide Seiten – so funktionieren Kommunikation und Begegnung.“

Kooperationspartner der „Interkulturellen Woche“ waren in diesem Jahr u. a. der Kreis Nordfriesland, der Kreisjugendring Nordfriesland, die Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus (RBTSH) und der Filmklub Husum.

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