Corona-Krise verschärfte die Not der Betroffenen, betonen die Leiterinnen der Beratungs- und Behandlungszentren in Nordfriesland

Bei der Übergabe des Berichts: Carsten F. Sörensen mit Alexandra Mrosek (l.) und Monika Weiss-Menke.Arndt Prenzel

Bei der Übergabe des Berichts: Carsten F. Sörensen mit Alexandra Mrosek (l.) und Monika Weiss-Menke. Fotos: Arndt Prenzel

Arndt Prenzel, Urheber des Artikels, shz vom 03.07.2020

Die Entwicklung ist alarmierend: Immer mehr Menschen mit Suchterkrankungen wenden sich als Hilfesuchende an das Beratungs- und Behandlungszentrum Niebüll oder die Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke in Husum. Die Leiterinnen Alexandra Mrosek (Niebüll) und Monika Weiß-Menke (Husum), stellten in Niebüll den erstmals gemeinsam erarbeiteten Jahresbericht 2019 der Suchtkrankenhilfe Nordfriesland der Diakonischen Werke Husum/Südtondern vor.

Als Gast hörte sich Carsten F. Sörensen, Vorsitzender des Sozialausschusses des Kreistags, die neuesten Entwicklungen an. „Wir haben ein Drittel mehr an Klienten“, sagt Alexandra Mrosek. „Alkohol ist weiterhin die Hauptdroge.“ Hier sind Männer besonders gefährdet. „Männer sehen Alkohol als Entspannungsmittel. Sie haben anders als Frauen Probleme, über Gefühle zu reden und so Spannungen zu kompensieren“, analysiert Alexandra Mrosek.

Monika Weiss-Menke berichtet, dass in Husum bei Jüngeren die Zahl der Cannabiskonsumenten weiter stark ansteige. Rund 20 Prozent der Klienten kämen mit diesen Sorgen zu den Beratungsstellen.

„Besonders auffällig ist, dass Verhaltenssüchte wie Glücksspiel-, Medien- und Internetsüchtige als auch Menschen mit Essstörungen, Kauf-, Arbeits- und Sexsucht ebenfalls zunehmen.“ Ein neuer Trend: Bei vielen Hilfesuchenden gibt es eine Suchtverlagerung in die „stoffungebundenen Süchte“ wie eben Glücksspiel im Internet. Alexandra Mrosek führt die steigenden Zahlen auch auf das erweiterte Beratungsangebot zurück. „Wir sind vor Ort präsenter, bieten Gruppen bei den Mürwiker Werkstätten oder Sprechstunden in Schulen an.“

Folgen der Corona-Pandemie

Corona hat alles noch verschlimmert: Für manchen der Betroffenen haten das durch die Corona-Pandemie reduzierte Gruppenangebot und die längeren Wartezeiten auf Einzelgespräche negative Folgen gehabt. In der Husumer Beratungsstelle wurden durch ständige Präsenz der Mitarbeitenden über Telefon- und Watts-App-Verbindungen Klienten weiter beraten, auch zu den Husumer Werkstätten wurde weiter der Kontakt aufrechterhalten.

Corona-Folge: Ausfall der Beratungsangebote

Die sozialen Kontakte fehlen. „Wir hatten viele verzweifelte Anrufe“, so Monika Weiss-Menke. Das BBZ Niebüll hat sehr kreativ „zum Dampf-Ablassen“ offene Angebote wie die „Klönschnacktür“ in der Werkstatt 1 und ein „Klönschnack-Treff“ in Leck erfolgreich eingesetzt.

Carsten F. Sörensen bestätigte, dass der Kreis ein offenes Ohr für Suchterkrankungen habe. „Jährlich finanzieren wir die Präventionsarbeit mit 270.000 Euro.“ Monika Weiss-Menke hat wie ihre Kollegin dringenden Personalbedarf. „Wir könnten gut ein bis zwei Stellen gebrauchen“, meinen die Fachfrauen unisono. Es ist ein Statistikspiel: „Die Zahl der in der Statistik aufgeführten essgestörten Menschen in Husum sinkt.“, erläutert Monika Weiss-Menke, „Das ist jedoch kein Therapieerfolg, sondern auf die fehlenden Personalressourcen zurückzuführen.“

Ein „weißer Elefant“ ist die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen. „Wir können die Zahlen nur erahnen“, sagen die Suchttherapeutinnen. Da die Sucht schon frühkindlich, etwa durch Fernsehkonsum geprägt wird, findet die Präventionsarbeit auch in Kindergärten statt. „Hier haben wir ebenfalls Sprechstunden eingerichtet“, betont Alexandra Mrosek. Aus Sicht von Monika Weiss-Menke könnte ein Kind schon suchtmittelgefährdet sein, wenn die Beziehungsebene zu den Eltern fehlt. „Diese bauen wir in den Familiengesprächen wieder auf.“

Die Beratungszentren sind mit ihrem Fachpersonal auch mit vielfältigen Veranstaltungen wie Gesundheitstagen oder aber offenen Themenabenden in der Öffentlichkeit vertreten. Die Resonanz ist groß. „Zu uns kommen verstärkt Angehörige, denn fast jede Sucht macht auch die gesamte Familie kaputt“, erklären die Fachfrauen. „Die Partner oder Eltern entwickeln oft eigene Krankheiten.“ Carsten F. Sörensen versprach, sich für die Arbeit der Beratungs- und Behandlungszentren einzusetzen. Er will die Anregungen in die kommenden Haushaltsberatungen einbringen.

„Wir Sozialpolitiker sind uns meist schnell einig“, sagt er. Doch letztlich müssten die strengen Finanzpolitiker von der Notwendigkeit überzeugt werden. Das gilt gerade jetzt in der Corona-Krise. Seit Wort hat Gewicht: Der seit 1986 als Kreistagsabgeordneter tätige Rechtsanwalt ist derzeit nicht nur Fraktionsgeschäftsführer der SPD im Kreistag und 2. stellvertretender Landrat, sondern seit Februar 2018  Kreisvorsitzender der nordfriesischen SPD.

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