Sonja Wenzel
Es ist ein „absolutes Novum“: Das Husumer Schlachtzentrum „Danish Crown“, das Diakonische Werk Husum und der Kreis Nordfriesland sind Partner in einem Projekt, das die Lebensbedingungen von Arbeitnehmern und -nehmerinnen des Schlachtzentrums nachhaltig verbessern will. „Die soziale Arbeit in Betrieben ist nicht unser originäres Geschäft. Wir haben intensiv überlegt und diskutiert, bis wir uns zugunsten der Kooperation entschieden haben“, so DW-Bereichsleiterin Adelheit Marcinczyk. Letztendlich gehe es jedoch darum, Neubürgern und -bürgerinnen eine noch bessere Integration sowie einen freundlichen Übergang in den Berufsalltag zu ermöglichen und darüber hinaus an das System der Regelangebote des Diakonische Werks heranzuführen.
Entstanden ist diese Zusammenarbeit aus Gesprächen an einem „Runden Tisch“, bei dem verschiedene Akteure, unter anderem vom Kreis Nordfriesland, der Stadt, dem Diakonischen Werk Husum, aus der Kirchengemeinde um Pastor Friedemann Magaard, vom Schlacht- und Zerlegebetrieb Danish Crown sowie Gewerkschaftsvertretende ihre Bereitschaft zur Förderung der Mitarbeitenden in allen Lebensbereichen erklärten: „Wir haben den Bedarf an Beratung und Betreuung, an sprachlicher Unterstützung und Erleichterung der Wohnsituation ausgelotet“, so Peter Martensen, Integrationsbeauftragter des Kreises Nordfriesland. In diesem Zusammenhang lobte er die Kooperation mit der Migrationsberaterin Inken Jessen.
Seit dem Frühjahr stehen die beiden rumänischen Danish Crown-Mitarbeiterinnen Alexandra Casaneanu und Simina Ciobanu sowie Mohanad Darkhabani vom Diakonischen Werk Husum direkt vor Ort bereit, um Mitarbeitende bei Problemen zu unterstützen. „Wir haben zunächst die räumliche Situation angepasst und etwas umgebaut, so dass Platz für die drei Beratenden ist“, so Danish Crown-Geschäftsführer Dirk Hartmann. Jetzt sei „alles auf einer Ebene“. Ein Betrieb mit Beratungsstelle sei gelebte Niedrigschwelligkeit. Unbürokratisch und ohne Komplikationen könne jetzt ein Termin für eine Beratung oder Begleitung abgesprochen werden. „Wir sind froh, dass wir die Kooperation mit dem Diakonischen Werk und dem Kreis Nordfriesland haben“, fuhr er fort und betonte den pragmatisch-besonnenen Umgang „auf Augenhöhe“ mit den Mitarbeitenden des Betriebs. Das manifestiere sich unter anderem in unbefristeten Arbeitsverträgen sowie in einer vertrauensvollen Arbeitsatmosphäre, in der die Menschen – die oftmals keinerlei Kontakte nach außen haben – sich wohl und angenommen fühlen und motiviert ihre Aufgaben erledigen: „Nicht alle wollen für immer hierbleiben. Das akzeptieren wir. Andere wiederum haben sich sehr schnell in ihre neue Lebenssituation hineingefunden. Insgesamt arbeiten bei uns 280 Menschen aus 14 Nationen, Deutschland und Dänemark mitgerechnet. Wir erreichen unsere Mitarbeitenden in bis zu fünf Sprachen. Das bedeutet auch, dass die Arbeitsverträge und die Unterweisungen mehrsprachig laufen“, so Hartmann.
„Schon während der Zeit, als der Betrieb von der Coronakrise besonders betroffen war, konnten wir unterstützen, unter anderem mit Einkaufshilfen“, erzählt Mohanad Darkhabani aus seiner Arbeit. Schon vom ersten Tage an seien Klienten zu ihm gekommen: „Es geht um Fragen zu Sprachkursen, zum Arbeits- oder Mietvertrag, zu Kranken- oder Haftpflichtversicherungen, zu Steuern oder zur Lohnabrechnung“, so Darkhabani. Oft sind es gesundheitliche Probleme, die medizinisch abgeklärt werden müssen sowie Kontakte zu anderen Behörden, die beispielsweise das Aufenthaltsrecht regeln. Auch wenn sich die Familie vergrößert hat, gibt es viele Dinge zu bedenken, die – oft aufgrund noch nicht sattelfester Sprachkenntnisse – nur mit Unterstützung möglich sind.
Alexandra Casaneanu weiß, wie wichtig diese Arbeit ist. Die junge Rumänin hat viel mit ihrer eigenen Integration zu tun gehabt: „Einen Betrieb mit einer Beratungs- und Betreuungsstelle für Menschen mit Migrationshintergrund gibt es in Rumänien nicht. Da ist niemand, von dem man an die Hand genommen und beschützt wird. Doch dies ist notwendig, um weiterzukommen. Wenn jemand bei einem Problem unterstützt, der die eigene Sprache spricht, so ist es das Beste, was passieren kann“, sagt sie.
„Die Arbeits- und Unterbringungsbedingungen in dieser Branche werden sehr kritisch hinterfragt“, ist Christian Grelck, Fachbereichsleiter Soziales und Arbeit beim Kreis Nordfriesland überzeugt. Auch wenn das Arbeitsschutzkontrollgesetz neue Rahmenbedingungen schaffe, so haben bei Danish Crown die Verbesserungen doch schon früher eingesetzt: „Sie gehen deutlich über das hinaus, was andere Unternehmen in der Branche tun. Danish Crown ist ein Betrieb, der einen Sonderweg geht. Das unterstützen wir und hoffen, dass dieser Weg in gegenseitiger Offenheit fortgesetzt werden kann.“
Auf Offenheit hob auch Volker Schümann, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Husum ab: „Mit Aufrichtigkeit kann man punkten. Den Sachverhalt als solchen, nämlich das Zerlegen von Fleisch, kann man nicht mit vielen Worten umgehen, man muss das Kind beim Namen nennen. So muss es auch Menschen geben, die diese Arbeit machen. Dafür sind wir dankbar. Das Diakonische Werk Husum konnte das Wagnis dieses Projekts ruhig eingehen. Wir hoffen auf eine vertrauensvolle Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit und danken Danish Crown, aber ganz besonders dem Kreis Nordfriesland für die Begleitung.“