Am 4. November machen rund 1.300 Suchtberatungsstellen in Deutschland auf ihre prekäre Finanzsituation aufmerksam. Der bundesweite Aktionstag steht unter dem Motto „Suchtberatung: Kommunal wertvoll“. Auch die Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke des Diakonischen Werks Husum beteiligt sich: „Wir möchten auf das Problem aufmerksam machen, indem wir damit an die Öffentlichkeit gehen“, sagt Monika Weiss-Menke, Leiterin der Suchtberatungsstelle.

Die Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke im DW Husum leistet unverzichtbare Arbeit: Sie berät die Patienten und deren Angehörige, sie begleitet, stabilisiert und unterstützt in langfristigen, besonders herausfordernden Lebenssituationen und leitet Suchtkranke weiter an andere Stellen und Einrichtungen. „Süchte sind chronische Erkrankungen“, so Monika Weiss-Menke. Dazu gehören nicht nur die „klassische“ Alkoholsucht, sondern ganz besonders Verhaltenssüchte, wie Glücksspiel- und Medienabhängigkeiten, die in der letzten Zeit – besonders unter Corona-Bedingungen – stark angestiegen sind. Zudem leiden nach ihren Angaben auch immer mehr die Angehörigen unter den Süchten der Betroffenen: „Sie werden kaum in das System der Suchtbetreuung eingebunden und entwickeln eigene Krankheitsbilder. Süchte sind im Geflecht vieler Familien schwer zu bewältigen, da sie eine spezielle Dynamik entfalten.“ Fakt ist, dass die sechs Mitarbeitenden der Beratungsstelle im DW Husum – die zum Teil nur stundenweise und vor allem abends ihre Gruppen betreuen – an ihre Grenzen stoßen: „Wir können dies alles kaum noch auffangen, denn wir arbeiten mit dünner Personal- und Finanzdecke.“

Wegen der sehr ernst zu nehmenden Corona-Vorschriften seien viele Gruppen geteilt worden, so wie die Angehörigen- und die Motivationsgruppe oder die „Clowns und Helden“. Letztere sei aus Corona-Gründen sogar gedrittelt worden. Aus zwei Therapie- und Nachsorgegruppen seien aktuell vier entstanden. Auch die Sprechstunde funktioniere nur „zeitversetzt“, um die Abstandsregeln zu wahren. Nicht zu unterschätzen sei der zunehmende Konsum von Cannabis, der mehr Betreuungsbedarf in der Cannabisgruppe notwendig mache. Die Folgen seien Wartezeiten überall: „Dies sind mitunter bis zu sechs Wochen, eine Frist, die für viele Menschen kaum auszuhalten ist. Dennoch versuchen wir mit verschiedenen, uns zu Gebote stehenden Strategien, die Wartezeiten zu verkürzen. Insofern sind wir ständig auf der Suche nach Ausweichmöglichkeiten und entsprechenden Räumen, damit Treffen stattfinden können. Das bringt nicht selten Mietkosten mit sich“, berichtet Monika Weiss-Menke aus der täglichen Arbeit.   

Die Corona-Pandemie verstärkt das Suchtverhalten vieler Menschen. Daher sind die Beratungs- und Hilfsangebote für Suchtkranke systemrelevant und so wichtig wie nie. Sie retten Leben und ganze Familienverbünde und tragen dazu bei, dass Gewaltspiralen im öffentlichen Raum oder in der Familie unterbrochen werden. Die stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS), Christina Rummel, mahnt: „Angesichts klammer Kassen stehen viele Suchtberatungen finanziell mit dem Rücken an der Wand. Die Corona-Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft. Daher brauchen wir dringend eine stabile und verlässliche Finanzierung, damit auch künftig die erforderliche Hilfe für Menschen mit Suchtproblemen wohnortnah gesichert werden kann.“ Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, bekräftigt: „Wenn die Hilfe vor Ort wegbricht, stehen Suchtkranke und ihre Familien allein da. So schwierig die Finanzlage vieler Kommunen ist – ohne eine gut aufgestellte Suchtberatung geht es nicht. Sie ist der erste Schritt in ein gesundes Leben.“

Ein „erster Schritt“ zu mehr Dialog zwischen Suchtberatungsstelle und der Kommunalpolitik in Husum war es, den gemeinsam mit den Suchtberatungsstellen des  Diakonischen Werkes Südtondern erarbeiteten Jahresbericht für 2019 beim Arbeits- und Sozialausschuss des Kreises Nordfriesland (ASA) vorzustellen: „Ich bin beeindruckt von der Arbeit, die Sie als Mitarbeitende leisten“, sagte dessen Vorsitzender, Carsten F. Sörensen. Monika Weiss-Menke dankte den Ausschuss-Mitgliedern für die Aufmerksamkeit, das Interesse und die vielen Fachfragen zu diesem Thema.

Text und Foto: Sonja Wenzel

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