Ein psychologisches Beratungsangebot soll Flüchtlingen den Weg in ein neues Leben leichter machen
Sexualisierte Gewalt, Folter, Missbrauch, Gefängnis – nur einige Situationen, die Menschen auf ihrer Flucht in ein anderes Land oft erleben müssen. Über das, was ihnen auf dem Weg angetan wurde, spricht fast keiner von ihnen. Nicht selten ist ein Trauma die Folge. Genau da knüpft das Programm „Das Leben neu aufbauen“ des Diakonischen Werks Husum an. Psychologin Dr. Elisabeth Bongert hilft Geflüchteten, das Erlebte zu verarbeiten. Da viele Menschen Ängste hätten, beispielsweise als verrückt zu gelten und dadurch stigmatisiert zu werden, gingen die Betroffenen kaum aus eigener Motivation auf die Psychologin zu, berichtet sie.
Hier kommen Flora Büttner und Mohammed Abd Alrazak ins Spiel. Sie sind Sprach- und Kulturvermittler und begleiten Flüchtlinge ab dem Zeitpunkt ihrer Ankunft. Sie unterstützen und beraten sie in rechtlichen, sozialen und gesundheitlichen Fragen. Vor allem aber haben sie auch immer ein offenes Ohr für sie. Wenn sie mitbekommen, dass Menschen psychologische Hilfe brauchen, „und das sind sehr viele“, sagt Flora Büttner, dann verweisen sie auf dieses Projekt und kommen eventuell auch als Dolmetscher mit.
Das Programm „Das Leben neu aufbauen“ ermöglicht es Flüchtlingen, sich schnell und unbürokratisch – der Aufenthaltstitel ist unwichtig – mit der Psychologin zu treffen. Bongerts erste Aufgabe ist es, dem Patienten klar zu machen, dass er oder sie nicht verrückt ist, „sondern ihm Verrücktes angetan wurde“, erklärt sie.
Mohammed Abd Alrazak weiß, was sie meint. „Sich Hilfe zu suchen, wenn es einem schlecht geht, das kennen viele aus ihren Heimatländern nicht. Da wurde alles in der Familie geklärt“, erzählt er. Wenn es aber keine intakte Familie mehr gibt, mit wem sollen die Menschen sprechen?
Zur Zeit sind sieben Männer und 21 Frauen in dem Programm. „Die meisten Frauen haben sexualisierte Gewalt erfahren. Aber auch einige Männer“, erklärt die Psychologin. „Die Männer leiden häufig auch an Identitätsverlust. Als Ernährer der Familie hatten sie in ihren Heimatländern eine feste Aufgabe. Hier ist das plötzlich anders“, erklärt Mohammed Abd Alrazak. Bei den Frauen gehe es häufig darum, dass sie wieder in die Lage versetzt werden, ihre Kinder angemessen zu versorgen, so Bongert. Diese Aufgabe falle vielen Frauen nach einem traumatischen Erlebnis schwer.Längerfristiges Zeil sei immer, dass sie sich integrieren können. „Dass sie einen Sprach- und Integrationskurs schaffen und eine Arbeit finden“, sagt Peter Martensen vom Kreis Nordfriesland.
Quelle: Artikel vom 04.07.2020, Husumer Nachrichten
Text und Foto: Inga Gercke / Friederike Reußner