Sonja Wenzel
Eine kahle Bühne, schwarz, mit fünf grauen Blöcken als einzige Requisite; mehr braucht es nicht, denn diese Bühne füllen fünf Personen, zwei Frauen und drei Männer, mit einer dichten, prall-kraftvollen Atmosphäre. Sie bringen eineinhalb Stunden lang gemeinsam und ohne Pause eine atemberaubende schauspielerische Höchstleistung.
Die Aula der Theodor-Storm-Schule (TSS) war der Aufführungsort des Theaterstücks „Anders als du glaubst“, gespielt von dem alternativen Tourneetheater „Berliner Compagnie“. Im Rahmen der deutschlandweiten „interkulturellen Woche“, deren Motto dieses Jahr „Zusammen leben – zusammen wachsen“ lautete, war dies die letzte Veranstaltung in einer Reihe, die die Fachstelle Migration Husum gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern im Kreis Nordfriesland organisiert hatte.
Die Story ist ein dicht geflochtener Strang: Ein gläubiger Jude, eine ebenso gläubige Muslima, eine gottesfürchtige Christin, ein Konterrevolutionär und ein überzeugter Skeptiker hauchen bei einem Anschlag ihr Leben aus. Ihre Seelen landen in einer Art „luftleerem Raum“, nicht Fisch, nicht Fleisch. Dort beginnen sie miteinander zu disputieren über ihre jeweilige Religion und Weltanschauung, bis sie erkennen, dass es nicht darauf ankommt den besseren Gott zu haben, sondern auf die Erfüllung einer Aufgabe, die gemeinsamen Überzeugungen und Wurzeln entspringt. Sie sehen das Potenzial, das in der Unterschiedlichkeit des Glaubens ruht und die Welt eher voranbringen als sie zerfleischen wird. Unter diesen Vorzeichen besuchen sie Afrika, wo Ausbeutung und Machthunger regieren, wo im Namen der Religion hingerichtet wird, Arzneien nicht reichen, um die Kleinsten und Schwächsten zu kurieren oder wo die Einwohner eines Palästinserdorfs ausradiert wurden. Sie treffen aber auch auf zwei Milizionäre unterschiedlicher Religion, die begonnen haben miteinander zu sprechen, oder, wenn die Kluft zu groß war, sich immerhin Zettel mit Nachrichten zugeschoben haben. Gleichgültig, ob selbstgefälliger Geflügelzüchter oder gnadenloses Abfischen der Ozeane durch große Konzerne: „Eigentlich reicht das, was die Erde hergibt, für alle – nicht aber für die Gier“.
Das Ensemble erzählt bei minimaler Ausstattung von den schlimmsten Katastrophen unserer Gegenwart, anschaulich und kritisch, temperamentvoll, nicht ohne Humor und mit reichlich Spielfreude. Da ist kein Satz zu viel oder zu wenig – jedes Wort passt, sitzt an der richtigen Stelle und trifft mitten ins Herz. Da war aber auch kein Husten und kein Schneuzen im Publikum zu hören: So klingt wohl das klassische „in den Bann schlagen“. Die teilweise stehenden Ovationen waren mehr als verdient.
An der Veranstaltungsreihe der Interkulturellen Woche mit Filmen, Lesungen und Theatervorstellungen sind die Organisationen und Einrichtungen „Fremde brauchen Freunde“, „Westküste Ahoi“, der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, der evangelisch-lutherische Kirchenkreis Nordfriesland sowie die Diakonischen Werke Husum und Südtondern beteiligt. Förderer sind der Kreis Nordfriesland, die Robert-Bosch-Stiftung und die Aktion Mensch.