Sonja Wenzel

Was wäre ein Spätsommer ohne den Diakonie-Gottesdienst, der – wie immer – ein existenzielles Thema in den Mittelpunkt stellte? In der Marienkirche predigten Propst Jürgen Jessen-Thiesen und Pastor Leif Mennrich über den unschätzbaren Wert eines „guten Ortes“. Sie segneten im Beisein vom DW-Aufsichtsratsvorsitzenden Prof. Dr. Stefan Krüger mehrere Mitarbeitende des Diakonischen Werks sowie einige Kinder und Jugendliche. Zu Wort kamen zwei Kinder vom „Haus am Park“, die in der Vergangenheit bereits mehrfach am Kinderrechtetag beziehungsweise – in diesem Jahr – am Landesjugendkongress auf Schloss Noer bei Eckernförde teilgenommen hatten.

„Bei dem Kongress kommen junge Menschen zusammen, die in stationären Einrichtungen leben. Sie sprechen über wichtige Dinge, die sie betreffen“, erklärte J. (12). Es sei eine Landesjugendvertretung gewählt worden, der politisches Gewicht beigemessen werden solle. Sie selbst habe der Wahlkommission angehört, fuhr sie fort. „Im Haus am Park“ sei die Beteiligung der Kinder wichtig, erläuterte die pädagogische Mitarbeiterin Tabea Feddersen im Beisein der neuen Leitung der stationären Hilfen Katja Schmidt: „Kinder müssen wissen, dass sie Rechte haben“, bekräftigte diese. Über die einmal im Monat stattfindenden Gruppengespräche und über die Möglichkeit, offene und anonyme Beiträge und Gedanken einzubringen, sprach L. (10). Diskutiert werde gemeinsam, ob neue Ideen umgesetzt werden können, auch Konflikte werden gerecht ausgetragen, indem beide Seiten gehört werden. L., mehrfacher Teilnehmer an Kinderrechtetagen, habe dort stets die „vielen interessanten Angebote mit Malen und Spielen“ genossen.

„Vergesst einmal, etwas falsch gemacht zu haben oder was alles passieren kann – auch, wenn es an allen Ecken und Enden der Welt brennt und nicht rund läuft. Gott will trotzdem, dass ihr euch am Leben freuen könnt“, hieß es in der Predigt. So bringe es nichts, nur zu jammern über die Schlechtigkeit des Daseins. Gute Worte schaffen gute Orte – so sei das „Haus am Park“ in Husum, eine Wohneinrichtung des Diakonischen Werks Husum mit aktuell 16 Bewohnenden im Alter zwischen sieben und 17 Jahren ganz gewiss ein „guter Ort“.

Kernstück der Predigt war das Gleichnis von der Saat, die nicht wachsen und keine Wurzeln ausbilden kann, wenn der Boden zu felsig ist, oder wenn Disteln sie piesacken und bedrängen. Doch mitunter sei der Boden auch nahrhaft und die Saat könne Wurzeln schlagen: „Wir brauchen solche guten Orte, wo wir so sein dürfen, wie wir sind, wo wir gestalten können, lachen, traurig sein und Fehler machen dürfen, wo es andere Menschen gibt, die ‚ja‘ zu uns sagen, verzeihen können und die zuhören und spüren, was wir fühlen – gerecht und ohne Bewertung.“ Es gebe viele solcher guten Orte: „Die Bahnhofsmission, die Tafel, die Beratungsstellen des Diakonischen Werks, das Eishaus. Wir brauchen Plätze, die durch uns zu guten Orten werden.“

„Leider leben viel zu viele Menschen dort, wo es ihnen nicht guttut“, äußerte der Propst und führte ein paar dramatische Zahlen an: „Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Kinderarmut betroffen. Das sind knapp drei Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.“ Zu einem großen Teil seien alleinerziehende Eltern davon betroffen. Seit dem Jahre 2010 habe das Armutsrisiko deutlich zugenommen und sei um etwa zwei Drittel höher als in anderen EU-Staaten. Unter dem Aspekt des biblischen Gleichnisses gebe es für zu viele Kinder „steinigen Boden“ und eine Kindheit, die nicht nur eine von Sonnenschein erfüllte Idylle sei.

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