Sonja Wenzel

„Ich möchte erreichen, dass Sie einander fragen, wer Sie sind und was Sie hierhergeführt hat. Ich wünsche mir, dass Sie neugierig sind und aufeinander zugehen.“ Mit diesen einführenden Worten eröffnete DW-Geschäftsbereichsleiterin Adelheit Marcinczyk die erste Bredstedter „Lange Tafel“. Sie lud damit sowohl Ehrengäste, als auch zufällig Vorübergehende dazu ein, an langen Bänken bei einem Teller Suppe „einfach mal Mensch“ zu sein und miteinander ohne Hürden und Komplikationen ins Gespräch zu kommen. Seit Jahren war die Veranstaltung geplant; das Pandemie-Geschehen machte „einen Strich durch die Rechnung“; doch jetzt, an einem Markttag, einem Tag also, an dem die Menschen ohnehin beim Einkaufen auch zum Schnacken zusammenkommen, fand sie endlich statt und hatte sofort beträchtlichen Zulauf.

Klaus Carstensen, Chef der Mensa im Niebüller Friedrich-Paulsen-Gymnasium, hatte mit verführerisch duftenden, kräftigen Suppen dafür gesorgt, dass „Leib und Seele“ zusammengehalten wurden: Frisch gekocht und in Warmhalteboxen herbeigeschafft, standen Pizzasuppe mit Rindfleisch und eine vegetarische Gemüsesuppe mit Falafel-Bällchen zur Auswahl. Mit Unterstützung der Ehrenamtlichen der Tafel Bredstedt wurden – gegen einen geringen Obolus – die Teller gefüllt. Die „Lange Tafel“, die bereits in Husum Tradition hat und auch in Tönning gut angelaufen ist, macht darauf aufmerksam, dass die Tafeln bittere Notwendigkeit sind und dass es andererseits gar nicht so schrecklich schwierig sein dürfte, Menschen, die sich oftmals nicht einmal mehr ausreichend mit Lebensmitteln versorgen können, etwas vom Überfluss abzugeben. Dazu wartete die Leiterin der Bredstedter Tafel, Sylke Watter – ehemals Pietsch – mit alarmierenden Zahlen auf: „Wir haben erst kürzlich in einer Woche 293 Kunden gezählt. Die Tendenz ist steigend. Leider gehen auch die Lebensmittelspenden zurück, weil die Discounter straffer kalkulieren. Mit 24 Ehrenamtlichen, die vier bis fünf Tage in der Woche im Einsatz sind und sich manches Mal verausgaben, halten wir den Betrieb aufrecht.“

Leif Mennrich, Pastor und Referent für christliches Profil beim Kirchenkreis Nordfriesland, griff in seiner Andacht auf die Apostelgeschichte zurück, in der Eigentümer von Land und Häusern ihre Liegenschaften verkauften, um den Erlös den Aposteln zu Füßen zu legen, damit Bedürftigen geholfen werden konnte. Er führte seinen Großvater an, der seinen Bauernhof erhielt, mit dem Notwendigsten für sich selbst zufrieden war und alles darüber hinaus anderen schenkte. „Das, was wir besitzen, gehört uns ohnehin nicht für immer; also legen wir doch ein bisschen mehr zusammen“, forderte Mennrich auf. „Die Tafel leistet dankenswerterweise sehr viel“, sagte Bredstedts Bürgermeister Dr. Edgar Techow. Gern habe die Stadt bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten im Jugendzentrum unterstützt: „Wir werden uns weiterhin einbringen“, schloss er. Auch Christian Grelck, Leiter des Fachbereichs „Arbeit und Soziales“ beim Kreis Nordfriesland, zollte den Tafeln, die das Diakonische Werk Husum gemeinsam mit der AWO betreibt, „hohen Respekt für die täglich geleistete Arbeit“. Rund 40.000 Personen seien deutschlandweit in Tafeln engagiert – somit sei dies die größte ehrenamtliche Bewegung im ganzen Land. Er sei nahezu fassungslos über die hohe Zahl der Tafelkunden und erwähnte, dass ein Zuschusspaket geschnürt worden sei, in dem unter anderem 200.000 Euro für die Tafeln zur Verfügung stehen.

   

Auch Alt-Ministerpräsident und Ehrengast Peter Harry Carstensen dankte der Tafel und erwies den Ehrenamtlichen „riesengroße“ Anerkennung: „In Schleswig-Holstein betätigt sich etwa jede oder jeder Dritte ehrenamtlich. Gäbe es diese Menschen nicht, würden ganze Systeme zusammenbrechen.“ Er erinnerte an die Notzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg, als in Schleswig-Holstein rund 1,6 Millionen Flüchtlinge versorgt wurden. Jetzt sei es eine wesentliche geringere Zahl: „Ich hoffe, dass Sie ein wenig nachdenklich werden“, schloss er und freute sich auf einen deftigen Teller Suppe mit Fleischeinlage: Als „alter Dithmarscher“ hätte er freilich auch gern „Schwarzsauer“ genommen, erklärte er mit einem Augenzwinkern. Adelheit Marcinczyk dankte dem Koch Klaus Carstensen für die Verpflegung, der Stadt Bredstedt für die Unterbringung des Tafelbetriebs, den Menschen für ihre Spendenbereitschaft, Sabine Kock und ihren Mitstreitenden für den Aufbau und nicht zuletzt dem Kreis Nordfriesland für die avisierten Zuschüsse.

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