Werner Zimmermann lässt einen letzten, prüfenden Blick rund um das weiße, eiförmige Gefährt gleiten, stellt die Rückspiegel korrekt ein und ist bereit abzufahren. „Wir freuen uns sehr, Gäste kutschieren zu dürfen, entweder auf ausgearbeiteten Routen oder individuell nach Absprache“, äußert der „Hauptfahrer“ der beiden Velobikes, die die Radstation des Diakonischen Werks Husum seit rund zweieinhalb Jahren unterhält.

Velobike – das bedeutet fast geräuschloses, beschauliches, emissionsfreies Dahingleiten in einem dreirädrigen Fahrzeug mit Elektroantrieb, das ein wenig an eine Fahrrad-Rikscha erinnert. Es bewegt sich vornehmlich auf den Fahrradwegen der Stadt. Die Fahrgäste sind vor Regen geschützt und sicher verstaut auf einer Bank hinter dem Fahrer. Hier können maximal zwei Erwachsene und ein bis zu sieben Jahre altes Kind Platz nehmen. Die beiden Velobikes sind in einem Betrieb in Süddeutschland angefertigt worden. „Es handelt sich dabei um nichts Umkonstruiertes – sie wurden extra für die Personenbeförderung gebaut und laufen in Metropolen wie Frankfurt am Main und Berlin in großer Stückzahl“, versichert Zimmermann. Leer wiegt ein Velobike etwa 150 Kilogramm, maximal darf es 400 Kilo auf die Waage bringen.

Die „Küstenschutzroute“ beginnt am Bahnhof bei der Radstation. Der erste Halt ist das „Nissenhaus“, das der „steinreiche“ New Yorker Diamantenhändler Ludwig Nissen, ursprünglich ein Husumer Jung‘, der Stadt Husum hinterließ. Passanten werden aufmerksam und schauen dem originellen Fahrzeug hinterher, das nur ein leises Pfeifen von sich gibt, wenn Werner Zimmermann in die Pedalen tritt und es sicher über die Fahrradwege steuert. Nur selten bewegt sich das Velobike direkt auf einer Straße: das ist beispielsweise der Fall, wenn es in Richtung Marktplatz, Tine Brunnen und Kirche geht. „Ohne Fahrer kann das Velobike nicht gemietet werden. Dazu ist eine gründliche Einweisung unbedingt erforderlich“, erklärt er. Seit dem 1. Mai des vergangenen Jahres ist er offizieller Velobike-Guide, entweder dienstags und mittwochs, ansonsten frei nach Absprache. „Ich war sofort begeistert davon, Menschen mit dem Velobike durch die Stadt zu chauffieren“, lächelt er.

Es geht vorbei an verschiedenen Stationen, die für Liebhaber Theodor Storms wichtig sind: Da ist sein Geburtshaus am Marktplatz oder das Storm’sche Wohnhaus in der Wasserreihe, in dem beispielsweise die Novelle „Viola Tricolor“ entstanden ist. Das Storm-Archiv mit seinem großen Schatz an Manuskripten, Briefen und Notizen liegt gleich nebenan. Das historische Hoppelpflaster der schmalen Straße bewältigt Zimmermann sachte und rückenschonend.  Auch ein Abstecher in die Süderstraße zum „Schützenhof“ steht auf dem Programm, in dem die Novelle „Pole Poppenspäter“ spielt.

Gleichgültig, ob der Weg zur Storm’schen Gruft gleich neben dem Gasthaus zum Ritter Sankt Jürgen führt, oder hinaus zur Schleuse am Dockkoog, wo ein sommersonniger Himmel die stillen, grünen Weiten von Deich und Deichvorland umschließt: Eine Fahrt mit dem Velobike ist etwas Besonderes, lässt auch die etwas verschwiegeneren Plätze nicht aus und zeigt Husum aus einem neuen Blickwinkel. Werner Zimmermann ist aufmerksam, kommunikativ und charmant und lässt keine Langeweile aufkommen: In leichtem Plauderton erfahren Velo-Gäste viel Wissenswertes, das quasi „auf dem Wege liegt“.

Angeboten werden ausgearbeitete Touren, wie die „Küstenschutzroute“, die an den Dockkoog führt oder die „Kulturroute“, die die besonders schönen Orte Husums aufsucht. Die „Gedenk-Route“ geht hinaus nach der KZ-Gedenkstätte Schwesing, dem ehemaligen Außenlager von Neuengamme. Damit sich Gäste hier mit der Historie befassen können, ist ein ausgiebiger Aufenthalt eingeplant. Es gibt auch so genannte „Shorttrips“ – „one way“ innerhalb Husums. Bis zu zwei Personen werden pro Route für 49 Euro befördert, ein „Trip“ kostet ab fünf Euro. Individuelle Fahrten und sogar Hochzeitsfahrten sind ebenfalls möglich, müssen aber abgesprochen werden.

Die Idee eines alternativen, klimaschonenden Mobilitätskonzepts überzeugte übrigens auch die AktivRegion Südliches Nordfriesland, die vor der Indienststellung der Velobikes finanzielle Mittel beisteuerte, ebenso wie die Evangelische Bank: Diese finanzierte beispielsweise einen für den Betrieb notwendigen „Ladeschrank“. Für weitere Informationen über Strecken, Zeiten und Preise steht das Team der Radstation am Bahnhof zur Verfügung, werktäglich von 8 bis 18 Uhr, an Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr, unter der E-Mail-Adresse velobike@dw-husum.de oder telefonisch unter 04841-80 55 50.

Text und Bild: Sonja Wenzel

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