Sonja Wenzel

Erschöpft sein dürfen; nicht immer unverwüstlich und unkaputtbar sein müssen; andererseits aber auch die eigene Erschöpfung aushalten und akzeptieren – und dann: einen Platz finden zum Luftholen, zum „sich neu Sortieren“, offen empfangen werden und vielleicht sogar auf ein offenes Ohr stoßen, auf einen Menschen, der zuhört: „Komm, setz dich erstmal hin und spür dich neu“ – so lautete das Motto des diesjährigen, traditionellen Diakonie-Gottesdienstes in der Husumer Marienkirche. Das heißt nichts anderes als: Komm zur Ruhe, finde zu dir zurück, entwickele ein neues Gespür für dich selbst – „und alles, was wichtig ist, erbitten wir von Gott und stellen es in seine weite Gegenwart“ – so formulierte es Propst Jürgen Jessen-Thiesen, der gemeinsam mit Pastor Leif Mennrich vom Christian-Jensen-Kolleg in Breklum den Gottesdienst leitete. Die beiden neuen Mitarbeitenden Tieneke Cordes und Olaf Neubauer ergriffen die Gelegenheit, ihre Arbeit für das Diakonische Werk Husum unter Gottes Segen stellen zu lassen.

Das Thema der Predigt war das Johannesevangelium, Kapitel 4. Dort geht es um eine ungewöhnliche Begegnung, die unter „normalen“ Umständen nicht stattgefunden hätte: Der erschöpfte Jesus kommt am Brunnen mit einer Wasser schöpfenden Samariterin ins Gespräch und bittet sie um einen erfrischenden Trunk. Jesus verspricht ihr „lebendiges Wasser“, das für immer jeden Durst stillt – so findet die Samariterin zum Glauben. Jesus bricht mit den Konventionen und tut nicht das, was landläufig verlangt wird oder was gilt, denn Juden und Samariter mieden im Allgemeinen den Kontakt zueinander. Doch hier achtet er auf sich selbst, ist ehrlich, braucht Hilfe und nimmt Kontakt mit der Frau auf: „So entstehen Beziehungen“, so Leif Mennrich.

„Erschöpfung“ – so hieß der „rote Faden“ bei den Vorbereitungen der Veranstaltung, für die einige Mitarbeitende des Diakonischen Werks Husum verantwortlich zeichneten – ein Thema, das – besonders im Rückblick auf die Coronazeit – vielschichtig und nicht immer einfach war und seine emotionalen und hilflos machenden Facetten zeigte: Sei es der Arbeitssuchende oder das junge Paar, das während der Akutphase des ersten Lockdowns nicht nur in eine neue, fremde Umgebung zieht, sondern auch noch ein Kind bekommt und dringend auf neue, aber fehlende Kontakte angewiesen ist; sei es die junge Afghanin, die verzweifelt nach einer Möglichkeit sucht, ihre Schwester auf sicheres Terrain zu bringen; sei es die Familie, die den Lockdown mit ihren Kindern zwar meistert, dazu aber über alle verfügbaren Kraftreserven hinausgehen muss:  „Es ist die Erschöpfung nach einer langen Corona-Zeit, die uns abgeschnitten hat von unseren Quellen“, hieß es.

„Nun setz dich erstmal hin“ – das signalisiert dem Erschöpften einen freundlichen, vorurteilsfreien Empfang, erst recht für Schwächere ist diese Aufforderung ein wichtiges Zeichen angenommen zu werden, so Leif Mennrich. Schon der kleine Moment des Hinsetzens berge die Chance in sich, ein wenig Kraft zu sammeln für das, was kommt. „Nun setz dich erstmal hin“ – da ist Gott uns ganz nah, sagte Propst Jessen-Thiesen, da sind Wahrheit und Klarheit, die jede schnelle Kritik und Missbilligung ausschließen.

Tieneke Cordes und Olaf Neubauer werden im Rahmen des Gottesdienstes von Propst Jürgen Jessen-Thiesen gesegnet.

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