Text: Sonja Wenzel, Beitragsbild: Inke Raabe

Es ist ein friedliches Plätzchen: An einem Kreuzweg auf dem Ostfriedhof unweit der Flensburger Chaussee, behütet von einer mächtigen Eiche – dort ist kürzlich ein Gedenkstein aufgestellt worden. Er erinnert an jene Menschen, die der Tod sang- und klanglos aus der Mitte der Gesellschaft geholt hat, die still und verarmt, verlassen oder wurzellos waren und – vielleicht gegen ihren Willen – anonym bestattet worden sind. Für diese Verstorbenen steht diese unübersehbare „Gedenkwand“, bestehend aus 24 rechteckigen, lebhaft gefärbten Steinen. Dabei handelt es sich um aufgearbeitete Grabsteine, „Reststeine“ aus Granit, Marmor oder Sandstein. Sie kommen aus aller Welt und sind in ihrer unterschiedlichen Farbigkeit und Struktur so vielfältig wie die Menschen selbst. Die Steine können von beiden Seiten beschriftet werden. Die Buchstaben der Namen werden aufgedübelt.

Einen Platz der Erinnerung schaffen – diese Initialzündung entstand zunächst im Diakonischen Werk Husum; dann wurden „die Köpfe zusammengesteckt“ in gewohnter, offener und vertrauensvoller Zusammenarbeit verschiedener Akteure und Bündnispartner: mit der Kirchengemeinde Husum, der städtischen Verwaltung – namentlich dem Ordnungsamt – und dem Kreis Nordfriesland. Bernd Hannemann, Stiftungsvorstand der Diakonie Stiftung Schleswig-Holstein, knüpfte den Kontakt mit dem Steinmetzbetrieb und Granitwerk „Simply Stone“ Leißner aus Wilster, wo der Stein entstand. Eine gewichtige Stellung kommen der Diakonie Stiftung und der Lotterie Glücksspirale zu, die das Projekt mit insgesamt 50.000 Euro gefördert haben. Auch das Nordfriesische Friedhofswerk begleitete das Vorhaben mit großer Überzeugung.

„Es ist das erste Mal in Schleswig-Holstein, dass ein Gedenkstein zu diesem Zweck aufgestellt wird“, sagte DW-Geschäftsführer Volker Schümann anlässlich einer kleinen Feier zur Fertigstellung dieser Stätte. „Das Schicksal dieser Menschen ist uns nicht gleichgültig. Auch deren professionelle Begleiter und Begleiterinnen nehmen Anteil an ihrem Wohl und Wehe. Es muss eine schlimme Vorstellung sein, einfach vergessen zu werden.“ Ähnlich äußerte sich Pastor Friedemann Magaard. Er erinnerte an den stadtbekannten „Hempels“-Verkäufer Wilhelm – Willi – Wallner, der in Husum „mühsam Wurzeln geschlagen“ hatte nach 36 Jahren Leben auf der Straße: „Dann war er einfach weg und aus Kostengründen auf See bestattet worden. Es ist unerträglich, dass Menschen geräuschlos gehen.“ Er erinnerte an ein Zitat von Jesus aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 25: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Die Errichtung des Gedenksteins nannte er ein „großartiges Projekt“.

„Allen Menschen gilt derselbe Respekt“, formulierte es Landespastor Heiko Naß in seiner Andacht. Die Kirche wisse sich diesem Respekt verpflichtet: „Gott hat zu jedem Menschen eine Beziehung – es gibt niemanden, der bei Gott namenlos ist.“ Auch der Staat stehe in der Verantwortung, diesen Verstorbenen, die es verdient haben in Würde betrauert zu werden, Achtung zu erweisen. In Schleswig-Holstein gebe es mehr als 8.000 Menschen, die in Wohnungslosigkeit leben oder von ihr bedroht seien. „Diese Stätte hat auch eine Botschaft an die Gesellschaft und kann Heilung oder Buße für versäumtes Miteinander bieten,“ sagte er und rief zu einer menschenwürdigen Gemeinschaft auf. Er stellte den Gedenkstein unter Gottes Segen.

„Alle, die vom Modell bis zur realen Ausführung am Gelingen des Projekts mitgewirkt haben, waren von Anfang bis Ende hoch motiviert und voll Feuer bei der Arbeit. Die Steine tragen teilweise Spuren eines eigenen Lebens. Wir haben das Material und unsere Arbeit gern gestiftet“, formulierte es Steinmetz Michael Leißner. Paul und Manuel, zwei junge Steinmetze des Betriebs, erzählen gern von ihrer Arbeit, die von den beiden Auszubildenden Jamie und Logan unterstützt wurde. „Insgesamt haben wir vier Tage gebraucht, um den Gedenkstein zu errichten. Zuerst mussten wir ein Fundament aus rund 1,2 Tonnen Beton anfertigen“, führt Manuel aus. „Knochenarbeit“ sei es schon gewesen, denn ein Stein wiege zwischen 30 und 35 Kilogramm. Er freute sich auch über die Resonanz der Vorübergehenden, die das Projekt zum überwiegenden Teil positiv und freundlich beurteilten.

Landespastor Heiko Naß (Foto: Inke Raabe)
Pastor Friedemann Magaard und Volker Schümann, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Husum (Foto: Inke Raabe)
Doris Kratz-Hinrichsen (DW Schleswig-Holstein), Michael Leißner (Simply Stone), Landespastor Heiko Naß, Volker Schümann, Bernd Hannemann (DW Schleswig-Holstein) und Pastor Friedemann Magaard (Foto: Sonja Wenzel)

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