Sonja Wenzel

Originell und mit hoher Symbolkraft: so zeigt sich die neue Sitzbank vor dem Diakoniezentrum in Tönning. Ihre Lehne reicht ein gutes Stück über die Sitzfläche hinaus. „Kein Platz für Rassismus“ verkündet die Gravur darauf – und das aus einem frustrierenden Anlass. Erst vor wenigen Wochen waren in Tönning zahlreiche Wohnungstüren, Briefkästen und Autos neuer Mitbürger und Mitbürgerinnen mit Hakenkreuz-Schmierereien verunstaltet worden und auch das Diakoniezentrum, das Rathaus und die Polizeiwache wurden Zielscheibe rassistischer und fremdenfeindlicher Sudeleien. „Diese Bank ist ein sichtbares Zeichen gegen Rassismus“, betonte Christine Wittstock, Abteilungsleiterin Migration für Eiderstedt sowie für Husum und Umland.

Die Ursprungsidee für dieses besondere Sitzmöbel wurzelt in Nordrhein-Westfalen, und die Absicht, es hier nachzubauen, bestand schon seit einiger Zeit. Die Mitarbeitenden des DW-Projekts „Aktiv Werft“ setzten die Idee in die Tat um – genau im richtigen Moment: „Es reicht jetzt – der Zeitpunkt ist da, um sich gegen rechte Übergriffe und Tendenzen zu stemmen“, so Ehrenamtskoordinatorin Claudia Böskens. „Integration ist ein wichtiges und dauerhaftes Thema. Auf Eiderstedt hat Rassismus keinen Platz – wir stehen dagegen“, erklärte Tönnings Bürgermeisterin Dorothe Klömmer während der feierlichen Einweihung der Bank. „Wir alle wollen in einer demokratischen Werteordnung leben und ich meine, jeder von uns hat einen Anspruch darauf.“ Sie dankte dem Diakoniezentrum dafür, der Veranstaltung Nachdruck und Nachhaltigkeit zu verleihen. Sie hoffe, dass der oder die Täter dingfest gemacht werden könne. Pröpstin Annegret Wegner-Braun zeigte sich „begeistert“ von der Aktion und wünschte sich eine Gesellschaft, die alle gleichbehandelt und jeden Menschen willkommen heißt. Doch könne aus negativem Erleben auch ein positiver Impuls erwachsen: „Die Bank steht mitten im täglichen Leben. Menschen machen auf ihr Pause und füllen die Zeit mit einem Teil ihrer Lebensgeschichte, die sie einander erzählen – so werden auch Rassisten an ihre eigene Mitmenschlichkeit erinnert, die sie ja irgendwo in sich haben.“ Amtsdirektor Matthias Hasse ergänzte mit einem Zitat, das Goethe zugeschrieben wird: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“ Synje Detlefsen, Mitarbeiterin der Fachstelle Migration zeigte sich entsetzt über den Angriff von rechts auf das Diakoniezentrum: „Wir bemühen uns täglich um die Menschen, die zu uns kommen. Unsere Überzeugung ist, alle zu unterstützen, die Hilfe benötigen.“ Professor Dr. Stefan Krüger, Aufsichtsratsvorsitzender des Diakonischen Werks Husum, dankte allen Mitarbeitenden und bestärkte sie in ihrem Tun: „Der Aufsichtsrat steht vor und hinter Ihnen. Wenn Ihnen ein scharfer Wind entgegenschlägt, sind wir für Sie da.“ Geschäftsführer Volker Schümann bat um Unterstützung: „Wir erheben unsere Stimme und zeigen Haltung. Doch dabei brauchen wir Sie: Die Menschen, die Ämter und den Kreis Nordfriesland.“ Gleichwohl ist es falsch, alles und jedes über einen Kamm zu scheren: „Die Mehrheit der Bevölkerung ist verständnisvoll und hilfsbereit und steht Neuankömmlingen positiv gegenüber. Es dürfte sich um eine Minderheit handeln, die rassistisches Gedankengut hegt“, erzählte eine ehrenamtliche Flüchtlingshelferin aus ihren Erfahrungen. Auch der Leiter des Jugendzentrums, Udo Radtke, hat nach eigenem Bekunden bei „seinen“ Jugendlichen bislang „keine rechten Tendenzen“ ausmachen können. Wie dem auch sei: Mohammad Ghnaem aus Syrien ist einer der von Rassismus Betroffenen: „Wir wollen hier nur neu anfangen, eine Ausbildung machen, studieren und arbeiten. Wir fühlen uns verletzt. Hier ist kein Platz für dergleichen. Wir wären froh, wenn man versucht herauszubekommen, wer die Schuldigen sind.“

Pröpstin Annegret Wegner-Braun und Bürgermeisterin Dorothe Klömmer nehmen den Nachwuchs gern in ihre Mitte.

Weitere Beiträge