Sonja Wenzel

„Mein Lebensweg hat andere Migrantinnen dazu motiviert, trotz mancher Herausforderung ihr Ziele zu erreichen“, sagt Imene Hasseine. Sie ist seit einiger Zeit pädagogische Fachkraft im Projekt „Leben und Arbeiten in Nordfriesland“ beim Diakonischen Werk Husum. Imene Hasseine (35), selbstbewusst und sympathisch, geht freundlich-energisch und unbeirrt ihren Weg. Gern gibt sie ihre eigenen Erfahrungen an andere Neubürger und -bürgerinnen weiter. In Algier studierte sie Betriebswirtschaft und arbeitete als Buchhalterin. „Algerien ist zwar ein konservatives, aber modernes Land. Es können dort auch Frauen relativ frei leben“, erzählt sie von ihrem Heimatland. Durch Heirat mit einem seit Jahren in Deutschland lebenden Algerier kam sie im Jahre 2011 hierher und begann unmittelbar nach ihrer Ankunft Deutsch zu lernen. Sie ist dankbar, dass ihr Ehemann ihr bei allem hilfreich zur Seite stand.

Zielstrebig arbeitete sie auf oberstes, sprachliches Kompetenzniveau hin, denn sie wollte an der Kieler Uni unbedingt ihren Master in BWL absolvieren. Als sie ihre zweite Tochter erwartete und gesundheitliche Probleme bekam, konnte sie ihre Pläne nicht verwirklichen, sondern musste ihren Lebenskurs ändern. „Ich war nach der Geburt ein Jahr lang Mutter, doch das hat mir nicht gereicht, denn ich bin eine produktive Frau“, lächelt sie. Deshalb machte sie aus der Not eine Tugend und wurde Betreuerin für Kinder in einem Mutter-Kind-Kurs in der Familienbildungsstätte des Diakonischen Werks. Sehr bald ergab sich die Gelegenheit, als Deutschlehrerin für Migrantinnen, die Kinder haben, zu fungieren. „Ich hatte erkannt, dass meine Ressourcen mit jenen des Diakonischen Werks Husum harmonieren. Ich empfand den freundlichen Umgang mit Menschen auf Augenhöhe als sehr wohltuend.“ Deshalb wünschte sie sich auch das Diakonische Werk weiterhin als Arbeitgeber und fragte nach einem Arbeitsplatz in der Finanzbuchhaltung. „Das war zwar nicht möglich, aber als Alternative konnte ich als Sprach- und Kulturmittlerin arbeiten.“ Durch das Projekt „Miqua“ habe sie viel gelernt, sei aber auch selbst initiativ geworden: Sie belegte verschiedene Kurse, unter anderem in Zeitmanagement oder E-Commerce und ließ sich in Kiel als systemisch-integrativer Coach ausbilden. Später folgte die Weiterbildung zu ihrer jetzigen Tätigkeit. „Bei der Volkshochschule lernt man die Sprache, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Genauso wichtig aber sind der Überbau und die Methoden für Gruppenarbeit und Einzelcoaching, die ich in der Arbeit in verschiedenen Projekten gelernt habe.“

Viele Frauen aus dem arabischen Raum wollen etwas erreichen und haben Ziele; doch machen nach Imene‘s Meinung unterschiedliche Wertvorstellungen den Unterschied: „Für deutsche Frauen ist die Karriere sehr wichtig; für andere steht die Familie an höchster Stelle. Trotzdem möchten sie etwas für sich in ihrem Leben erreichen, aber das ist oft schwierig. Wichtig ist immer wieder das Zeitmanagement. Ich erkläre ihnen, wie ich es gemacht habe.“ Imene Hasseine versteht nicht nur die Frauen: „Auch die Männer, die zu mir kommen, akzeptieren mich. Ich kann mich in sie hineinfühlen.“ Denn schließlich kommt sie aus demselben Kulturkreis. Hemmend sei häufig die Furcht, beim Deutschsprechen Fehler zu machen, andere wiederum ängstigt die Migrationsdebatte, die teilweise hitzig und unfair geführt wird. „Angst behindert das Selbstbewusstsein, das ich steigern und festigen möchte. Es gibt so viele Menschen mit hervorragenden Kompetenzen. Doch zunächst können sie keinen Schritt machen. Sie sitzen wie in einer Flasche und schaffen den Weg durch den Flaschenhals nicht.“ Als Sprach- und Kulturmittlerin ist sie oft bei psychologischen Beratungen mit anwesend und hat dabei Methoden gelernt, wie sie den Menschen selbst helfen kann. Oft kann sie Frauen, deren Ehemänner eben nicht so tolerant sind wie ihr eigener, darin unterstützen, doch etwas aus ihrem Leben zu machen, möglicherweise von zu Hause aus: „So hat es eine Frau geschafft, sich auf das Nähen zu spezialisieren.“

Übrigens ist Imene Hasseine auch begeisterte Konditorin und hat sich in Algerien in der Herstellung französischer Pâtisserie weitergebildet. „Ich backe sehr leckere Torten“, schmunzelt sie und hat auch schon mit einem Back-Workshop für Migrantinnen beim Diakonischen Werk großen Erfolg gehabt. „Auch so etwas motiviert Frauen zu uns zu kommen.“

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